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Die lebenden Puppen des Gerald Pole

Die lebenden Puppen des Gerald Pole

Titel: Die lebenden Puppen des Gerald Pole
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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spöttischen Klang angenommen hatte.
    »Was hast du dir nicht alles gedacht? Ich kann mich nur wundern.«
    »Was meinst du denn?«
    »Du siehst aus wie ein Feigling.«
    Der Satz hatte Gerald Pole hart getroffen. Ein Feigling wollte er nicht gerade sein. Er riss sich zusammen und fragte mit neutral klingender Stimme: »Was soll ich tun?«
    »Komm her!«
    »Und dann?«
    »Du sollst herkommen, verflucht! Oder hast du Angst davor, dein Arbeitszimmer zu betreten?«
    »Nein, nicht.«
    Der Besucher lachte breit. »Dabei warten sie auf dich. Ja, deine kleinen Lieblinge sind traurig, wenn sie dich nicht sehen. Ich an deiner Stelle würde nicht mehr zu lange warten.«
    Gerald Pole schnaufte. Der andere hatte von seinen Lieblingen gesprochen, und damit konnte er nur die Puppen gemeint haben, denn Gerald Pole war ein hervorragender und auch bekannter Puppenspieler, der nicht wie seine beruflichen Vorfahren über Land zog, sondern in London ein festes Studio betrieb.
    »Komm her …«
    »Ja, schon gut.« Er kam sich gedemütigt vor, als er auf das Fußende des Betts zu kroch und es dann verließ. Jetzt stand er mit beiden Füßen auf dem Boden, und in seinem Schlafanzug kam er sich lächerlich vor.
    Darauf achtete der Teufel nicht. Er holte Gerald dicht zu sich heran und strich mit seinen Fingerkuppen über die glänzenden Wangen des Mannes.
    Es verstrich Zeit, ohne dass der eine oder andere etwas dagegen tat. Gerald Pole nahm den Teufel aus der nächsten Nähe wahr, aber er spürte keine Angst in sich hochsteigen. Ein anderes Gefühl hatte sich seiner bemächtigt. Es war jetzt eine gewisse Anspannung, die ihn erfasst hatte, gepaart mit einer Erwartung.
    Der Teufel sprach ihn an. »Du weißt jetzt, wer ich bin?«
    »Ja, jetzt schon.«
    »Und was weißt du noch?«
    »Ich erkenne deine Macht, ich spüre, dass du sehr mächtig bist. Mächtiger als jeder Mensch.« Pole wusste genau, wie man einem Menschen schmeichelte, und auch der Teufel war für derartige Worte empfänglich, denn er verzog seine Lippen zu einem breiten Grinsen.
    »Sehr gut, mein Freund. Ja, du hast sehr gut gesprochen. Ich erkenne es an, und ich verspreche dir, dass du unter meinem Schutz stehst. Ich hoffe, es wird dich freuen. Ich bin ab nun dein Beschützer. Was immer du tust, wird von mir abgesegnet sein. Ist das nicht eine Freude?«
    »Ja.«
    »Du brauchst keine Furcht mehr zu haben. Es werden sich für dich völlig neue Dimensionen eröffnen. Du wirst den Menschen zeigen können, wer Herr über Leben und Tod ist.«
    Gerald Pole hatte jedes Wort verstanden. Allein, es war zu unwahrscheinlich. Er konnte es kaum glauben. Plötzlich fühlte er sich wie jemand, der unsterblich ist.
    »Ich soll das sein?«
    »Ja.«
    »Und wie?«, hauchte der Puppenspieler, auf dessen Stirn sich immer mehr Schweißperlen bildeten.
    Der Teufel schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle, nimm es einfach hin. Genieße deine neue Macht, und du wirst erleben, wozu deine Puppen fähig sind.«
    Pole hatte nichts begriffen. Was meinte der Teufel mit seinen Puppen? Er wollte eine Frage stellen und hatte den Mund schon geöffnet. Nur kam er nicht mehr dazu, auch nur ein Wort hervorzubringen. Der Teufel hatte ihm genug gesagt. Er drehte sich vor ihm um, sodass Pole auf seinen Rücken schaute. Er sah die beiden Flügel, das war auch alles, was bei dieser Gestalt sonderbar war. Sie verließ das Schlafzimmer und betrat den anderen Raum, in dem sie noch kurz zu sehen war, dann aber nicht mehr.
    Es schien, als hätte sich der unheimliche Besucher aufgelöst …
    ***
    Ja, was tun?
    Der Puppenspieler stand auf der Stelle und bewegte sich nicht. Er wusste, dass er allein war. Nur kam es ihm unheimlich vor, dass er den Überblick verloren hatte. Das passte nicht zu ihm. Eigentlich war er der Mensch, der andere Personen beherrschte. Und was war jetzt?
    Er kam sich verloren vor. Eine andere Macht hatte von ihm Besitz ergriffen. Er stand da, er schaute nach vorn und zugleich ins Leere, während über seinen Rücken kalte Schauer rieselten und sich nach dem letzten Wirbel verliefen.
    Was war das gewesen?
    Ein Besuch? Ein Traum? So etwas Ähnliches wie ein Wachtraum? Plötzlich konnte er sich alles vorstellen, auch das Hineingleiten in eine ganz andere Welt, von der er bisher noch nichts Konkretes gesehen hatte, die er aber trotzdem kannte.
    Ja, sie war ihm nicht unbekannt. Er brauchte sie. Außerdem gehörte sie zu seinem Leben. Es war die Welt des Bösen, des Grausamen, der schlechten Personen, auch
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