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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen
Autoren: Jocelyn Kelley
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Sonnenschein schon eine Herausforderung darstellte, da die Zielpfeile kaum eine Pfeilbreite voneinander entfernt waren. Sie erteilte schon so lange Unterricht, dass ihr selbst zum Training wenig Zeit geblieben war.
    Schweigen erfüllte den Hof, doch war ihr bewusst, dass die Blicke aller auf ihr ruhten und alle warteten, ob sie der von der Königin gestellten Aufgabe gerecht wurde. Wieder legte sie den Pfeil an die Sehne und drehte sich so, dass sie ihre linke Seite der Zielscheibe zuwandte. Sie hob den Bogen und senkte ihn dann. Sie hörte Raunen um sich herum, doch weder die Königin noch Fitz-Juste sagten ein Wort. Er beschränkte sich darauf, sie mit unverändert selbstgefälligem Lächeln zu beobachten, so dass sie versucht war, ihn zu warnen, dass es ihm bald vergehen würde.
    Sie ließ den Köcher vom Rücken gleiten und lehnte ihn an ihr rechtes Bein. Das Raunen verstummte, als sie den Bogen hob und wieder mit dem Pfeil zielte. Langsam zog sie die Sehne zurück, bis diese Lippen und Kinn berührte. Wie schon hunderte Male ließ sie die Finger von der Sehne gleiten, und der Pfeil schnellte davon.
    Er flog scheinbar unmöglich langsam. Sie hielt den Atem an, da sie Königin und Äbtissin nicht enttäuschen wollte, und griff nach zwei weiteren Pfeilen, die sie dem ersten nachschickte. Als der erste Pfeil den Höhepunkt seiner Flugbahn erreicht hatte, schien er auf das Ziel zu an Tempo zuzunehmen. Mit dumpfem Aufprall traf er direkt zwischen den zwei Ziel-Pfeilen auf. Gleich darauf trafen der zweite und dann der dritte Pfeil, jeweils an der Außenseite der Zielpfeile. Alle fünf Pfeile erbebten unter dem Aufprall.
    Mallory senkte den Bogen und bückte sich nach dem Köcher, um ihre Erleichterung zu verbergen. Oder, wie sie zugeben musste, ihr eigenes selbstgefälliges Lächeln, wenn sie zu Fitz-Juste blickte.
    »Gut gemacht, Lady Mallory«, lobte die Königin. Mallory richtete sich auf. »Ich hatte gute Lehrer.« Sie genoss das Lob der Königin.
    Königin Eleanor fuhrt fort, als hätte Mallory nichts gesagt. »Ihr werdet an meinen Hof zu Poitiers reisen, wo ich für Euch eine Aufgabe vorgesehen habe, die Euren Fähigkeiten entspricht.«
    Erregung und Unsicherheit kämpften in ihr, aber sie behielt ihre gelassene Miene bei. »Ich brenne darauf, Euch zu dienen.«
    »Ihr werdet getrennt von uns reisen.«
    »Wie Ihr wünscht.«
    »Wenn es nach mir ginge, würdet Ihr mich begleiten. Dann könntet Ihr mir berichten, wie es kommt, dass Ihr so geschickt seid.« Das Lächeln der Königin schwankte nur einen Moment. »Aber in diesen gefahrvollen Zeiten darf man seine Karten nicht offen auf den Tisch legen.« Sie bedeutete den Männern, wieder zu den Pferden zu gehen.
    Als ihre vier dunkelhaarigen Begleiter der Aufforderung nachkamen, bedankte Königin Eleanor sich bei der Äbtissin. Keine der beiden sah das lüsterne Lächeln der vier Männer, die Mallory wieder unverschämt beäugten.
    Mit vorgeschobenem Kinn wandte sie den Blick ab und ignorierte sie mit jener Würde, die sie an der Königin gesehen hatte. Ihre Fassung geriet jedoch ins Wanken, als Fitz-Juste auf sie zukam, alle fünf Pfeile in Händen. Die drei kürzeren reichte er ihr.
    »Danke«, sagte sie leise.
    »Klüger wäre es gewesen, wenn Ihr das Ziel verfehlt hättet.« Er ging, ohne ihr die Möglichkeit einer Antwort zu lassen.
    Und das war gut, da sie ohnehin um eine Antwort verlegen war.

kapitel 2
    S axon Fitz-Juste lungerte schon seit Stunden auf dem hölzernen Kai am Fluss Clain herum. Der Gestank nach Schlamm und toten Fischen vermochte nicht, die üblen Gerüche anderer, in das seichte Gewässer geworfener Abfälle zu überlagern. Die Dächer der erhöht über dem Fluss gelegenen Stadt Poitiers wurden von der untergehenden Sonne vergoldet. Dämmerung machte sich über dem Fluss breit, und die schmalkieligen Boote, die ihn befuhren, suchten sich einen Ankerplatz für die Nacht.
    Wie viele Tage würde er noch hier warten müssen und so tun, als sei er betrunken und erhole sich von einer unglücklichen Liebe? Die echten Trunkenbolde wurden allmählich argwöhnisch und fragten, warum er sich herumtrieb. Er hatte gesehen, wie sie die Köpfe zusammensteckten, und hatte das Geflüster gehört, als er von einer Planke zur anderen schlurfte. Die Bohlen unter ihm knarrten bedrohlich, deshalb beeilte er sich, den Kai hinter sich zu lassen, den eine exakt der Uferlinie folgende Baumreihe beschattete. Die ganze Anlegestelle hätte instand gesetzt werden müssen,
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