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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen
Autoren: Jocelyn Kelley
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König verwüsteten ganze Landstriche der Normandie im Norden und vernichteten alles, was den Adligen gehörte, die sich ihrer Revolte nicht angeschlossen hatten.
    Sein Interesse galt freilich weder dem Boot noch dessen Fracht. Er erwartete jemanden. Als das Schiff an den Kai stieß und eine Planke ausgelegt wurde, sah er an Deck Menschen zwischen der Fracht. Die Männer waren von den Strapazen der Reise gezeichnet. Er kniff die Augen zusammen, um ihre Gesichter ausmachen zu können, und hoffte, einer der Männer würde der Erwartete sein. Er öffnete die Augen wieder ganz weit, als er eine Frau unter ihnen sah, deren Blick dem Ufer galt.
    Sie war mit dem Staub und Schmutz einer langen Reise bedeckt, doch war ihr Gesichtsschnitt ebenso unverkennbar wie die auffallenden Augen, die so dunkel waren, dass sie fast violett aussahen, und die ihn im Fackelschein auf dem Hof von St. Jude’s Abbey wie einer ihrer Pfeile durchbohrt hatten. Sie trug eine kurze Klinge an der Seite, länger als ein Messer, kürzer als ein Breitschwert. Unter ihrem schwarzen Umhang, der an einem Sommerabend wie diesem erstickend heiß sein musste, trug sie einen Bogen ohne Sehne. Ein dunkelbrauner Sack an einem Träger über ihrer linken Schulter verbarg alles bis auf die Spitze des Bogens. Er fragte sich, wo sie die Pfeile haben mochte. Die Vorstellung, diesen schlanken Körper, dessen Umrisse er in einem dünnen Nachthemd gesehen hatte, nach den Pfeilen zu durchsuchen, beschleunigte seinen Pulsschlag.
    Er unterdrückte stöhnend einen Fluch. Nein. So grausam konnte das Schicksal nicht sein. Es durfte nicht sein, dass Schwester Mallory ausgerechnet jetzt wieder in sein Leben trat. Wäre sie ein paar Wochen später in Poitiers eingetroffen, hätte es ihm nichts ausgemacht. Hier erwartete ihn eine bestimmte Aufgabe, und ihr war zuzutrauen, dass sie sich einmischen würde. Vielleicht nicht mit Absicht, doch der Gedanke an sie genügte, um ihn von der Mission abzulenken, die auszuführen er geschworen hatte. Am liebsten hätte er seinen Frust laut hinausgeschrien, als er sah, wie sie über die Planke schritt, als wäre sie ihr ganzes Leben auf französischen Schiffen gereist und würde über dieses spezielle Schiff das Kommando führen.
    Sein Stöhnen ging in einen leisen Fluch über, als Jacques sich vordrängte und ihr den Weg vertrat. Wie war nur möglich, dass eine so einfache Aufgabe – er sollte hier warten und sich mit einem Mann treffen, der mit einem anderen Schiff kommen musste – so kompliziert geworden war?
    »Willkommen in Poitiers«, sagte Jacques mit einer tiefen Verbeugung.
    Schwester Mallory wollte ohne Erwiderung an ihm vorüber. Als er seine Stellung leicht veränderte, um sie zwischen seinen schmutzigen Lumpen und dem Schiff einzupferchen, blieb sie stehen. Ihre Hand griff nach der Klinge an ihrer Seite. Würde sie so tollkühn sein und sie ziehen? Jacques und seine Kumpane würden sie überwältigen, ehe sie mit der Waffe ausholen konnte. Falls die Männer sich nicht vor Lachen ausschütten würden, dass ein Frau sie mit einem Kurzschwert herausforderte.
    Saxon trat einen einzigen Schritt vor und hielt inne, als Jacques im Befehlston sagte: »Her mit der Maut, Mylady.« Er säuberte einen Zahn mit seinem Fingernagel und streckte dieselbe Hand aus, als er sagte: »Jetzt gleich!«
    »Fordert Ihr von allen Passagieren eine Maut?« Ihre Stimme war bar allen Gefühls wie in St. Jude’s Abbey. Was verbarg sie hinter der einstudierten Maske der Gelassenheit?
    »Das hat Euch nicht zu kümmern.«
    »Ich denke schon, da ich zahlen soll.«
    Einer von Jacques’ Männern wieherte laut. »Das ist eine Maut für Ladys. Den zahlen nur Ladys, die nach Poitiers kommen.«
    »Ich verstehe«, gab sie zurück. »Dann lautet meine Antwort nein. Auf Eure Erpressung gehe ich nicht ein. Aus dem Weg.«
    »Hört die feine Dame, die uns belehrt, wir könnten die Maut nicht fordern, den jede Lady zahlt, die nach Poitiers kommt.« Unter dem Gelächter seiner Männer bedrängte Jacques sie nun noch unverschämter. »Nun zahlt schon.«
    »Ich habe keine Münzen, die ich Euch geben könnte.«
    »Dann nehme ich diese Klinge.«
    »Nein.«
    »Nimm sie, Jacques!«, frohlockte einer der Männer. Saxon wusste, dass er der Konfrontation ein Ende bereiten musste, ehe Schwester Mallory zu Schaden kam. Sich umwendend stimmte er das unflätigste Lied an, das er kannte, und warf die Flasche weg. Als sie zerschellte, wandten die drei Männer ihre Köpfe. Er versetzte
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