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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen
Autoren: Jocelyn Kelley
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hatte er wohl keine so freimütige Äußerung erwartet, doch konnte sie nicht zulassen, dass die Abtei … und die Königin heruntergemacht wurden! Königin Eleanor verdiente Respekt und mehr.
    Als er sich umdrehte und zu den Pferden ging, lächelte sie. Ihr Lächeln verschwand, als er einen Köcher vom Sattel zog und ihm zwei Pfeile entnahm. Sie waren etliche Zoll länger als ihre eigenen. Sie zu benutzen würde bedeuten, dass sie Haltung und Spannung ändern musste, und auch das würde vielleicht nicht genügen. Mit Pfeilen dieser Länge hatte sie nie geübt.
    »Ihr tätet gut daran«, sagte Fitz-Juste, »in Gegenwart der Königin Eure scharfe Zunge zu hüten. Angesichts dessen, was vorgeht, wird sie für Eure Bemühungen, geistreich zu sein, wenig Sinn aufbringen.«
    Mallory runzelte verblüfft die Stirn. Was ging außerhalb der Abteimauern vor, das die Königin bekümmerte?
    Als hätte sie diese Frage laut geäußert, sah er sie mit seinen dunklen Augen an und sagte: »Gewiss seid Ihr hier nicht so abgeschieden, dass Euch nichts von der Erhebung des jungen Königs und zweier seiner Brüder gegen König Henry den Älteren zu Ohren kam.«
    »Wir wissen von der Revolte.« Sie bemühte sich, so hochmütig zu klingen wie er. »Hätte dem König nicht so viel daran gelegen, seinem Erben den Thron zu sichern, indem er ihn vor drei Jahren krönte, hätte sein Sohn sich vielleicht geduldet, bis der Thron nach dem Tod seines Vaters rechtmäßig an ihn fällt.«
    »Schwester Mallory«, mahnte die Äbtissin.
    Erschrocken drehte Mallory sich um und sah sich der missbilligenden Miene der Äbtissin gegenüber. Was sich die Königin dachte, wollte sie gar nicht wissen, da ihre Worte dazu angetan waren, Schande über die Abtei zu bringen. Hitze stieg ihr so jäh ins Gesicht, dass sie um den Mondschein froh war, der die Farbe auf ihren Wangen bleichen würde.
    Als Königin Eleanor sprach, war ihrem Ton nicht anzumerken, dass sie gehört hatte, was Mallory oder die Äbtissin gesagt hatten. »Wo unterrichtet Ihr die anderen, Mylady?«
    Mit zitternden Fingern wies sie hinter das Haus der Äbtissin.
    Wieder traf sie ein finsterer Blick der Äbtissin, ehe diese der Königin anmutig bedeutete, ihr zu folgen. Die vier dunkelhaarigen Männer schritten in geübter Präzision hinter ihnen einher.
    Fitz-Juste ahmte die Geste der Äbtissin Mallory gegenüber nach. Er sagte nichts, doch war dies nicht nötig. Nicht nur, dass sie vom Ableben des Königs gesprochen hatte, sie war auch so unhöflich gewesen, die Frage der Königin nicht laut zu beantworten. Sie konnte Fitz-Juste ja nicht offen beschuldigen, sie so in Rage gebracht zu haben, dass sie nicht auf ihre Worte achtete. Fünf Jahre hatte es gedauert, bis sie gelernt hatte, ihr Temperament zu mäßigen, das ihr zu oft durchgegangen war, wenn ihr Vater sich dem Leiden der Mutter gegenüber gleichgültig zeigte. Fünf Jahre Beherrschung, die binnen Minuten von den Sticheleien Saxon Fitz-Justes zunichte gemacht worden waren.
    Sie zuckte zusammen, als sie der Königin und der Äbtissin nacheilte. Die Königin hatte angedeutet, er wüsste, was zu tun sei. Hatte er sie mit seinen Worten auf die Probe stellen wollen? Wenn ja, dann hatte sie völlig versagt und Schande über sich und, schlimmer noch, über die Abtei, gebracht.
    Der Anblick der wohl bekannten, an kleinen Heuschobern angebrachten Zielscheiben bedeutete für Mallory keinen Trost, als sie um die Ecke des Hauses der Äbtissin bog. Hinter ihr waren Schritte zu hören. Die von den Stimmen geweckten Schwestern eilten nun neugierig herbei. Hatte sie nicht dasselbe getan und über die Mauer des Küchengartens gespäht, als die Königin das erste Mal gekommen war und Schwester Avisa aufgefordert hatte, eine Probe ihrer Treffsicherheit zu liefern? Damals hatte Mallory sich gewünscht, sie wäre auserwählt worden. Nun aber hätte sie zu gern mit einer der Schwestern getauscht, die ihr leise folgten, um zu sehen, was die Königin vorhatte.
    »Dort«, sagte die Königin. »Die Zielscheibe ganz rechts, Saxon.«
    Er schenkte Mallory ein selbstgefälliges Lächeln, ehe er die offene Fläche zu den von der Dunkelheit halb verborgenen Zielscheiben überquerte. Mit Leichtigkeit trieb er einen und dann einen zweiten Pfeil in das weiße Tuch, dann trat er zur Seite.
    »Dort ist Eure Zielscheibe, Lady Mallory«, sagte die Königin.
    Mallory starrte ungläubig hin. Mondschein und Schatten, die den Hof sprenkelten, erschwerten einen Schuss, der bei
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