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Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Titel: Die kuriosesten Faelle vor Gericht
Autoren: Walter Schlegel
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menschliche Elternteil nur ab und an mit ihm Gassi gehen durfte.....
     
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Weniger ist mehr...?
     
     
    Nach so viel „tierischen“ Fällen jetzt ein sprachliches Kunststück, das dem Richter am Landesarbeitsgericht Chemnitz Dr. Dirk Neumann mit seiner Entscheidung vom 06. April 1993 unter dem Aktenzeichen 21 O 519/95 gelungen (oder misslungen?) ist. Um dieses vermeintliche „Kunststück“ besser verstehen zu können muss man wissen, dass es in anderen Ländern in Sachen Rechtsprechung vollkommen andere Sitten und Gebräuche gibt. So gilt in Frankreich der Grundsatz, ein Urteil mitsamt Begründung so klar zu fassen, dass es in einen einzigen Satz passt. Nicht nur soll das die Richter dazu anhalten, sich kurz zu fassen, es soll vor allem auch dem Zweck dienen, lange und ausschweifende, sich in juristische Begründungen verlierende Phrasen und komplexen Textkonstrukte zu verfallen. Ein Urteil im Namen des Volkes, das auch jeder aus dem Volk nachvollziehen und verstehen kann. So die Theorie und gut geübte Praxis im Nachbarland Frankreich. Von eben dieser Praxis hat sich der Richter am Landesarbeitsgericht Chemnitz, Dr. Neumann, inspirieren lassen, als er am 06. April 1993 sein Urteil sprach. Denn auch er strengte sich an, das Urteil mit allen relevanten Gründen in nur einem, einzigen Satz zu verfassen. Da jedoch deutsche Richter dazu neigen, es übertrieben „trocken“ und formaljuristisch auszudrücken, ist bei diesem Vorsatz des „einsätzigen Urteils“ zwar tatsächlich nur ein einziger Satz herausgekommen, doch ob es der besseren Verständlichkeit wie bei unseren französischen Nachbarn diente...? Lesen Sie selbst, hier das Urteil im Volltext, das aus einem einzigen Satz besteht:
     
     
    "TATBESTAND UND ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
 
    In Anbetracht dessen, daß die am 25.10.1939 geborene, geschiedene Klägerin seit Oktober 1966 bei der Beklagten als Hortnerin tätig war, ihr am 31.03.1992 zum 30.09.1992 mit Wirkung ab 01.10.1992 eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung mit 30 Wochenstunden ausgesprochen wurde, sie dies nur unter Vorbehalt annahm, und am 14.04.1992 hiergegen Klage erhob, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß gehört sei sowie die Sozialauswahl falsch sei, sie demgemäß beantragt hat, die Änderungskündigung für ungerechtfertigt zu erklären und Abweisung der Klage von der Beklagten beantragt worden ist, weil die Zahl der zu betreuenden Kinder von 35 auf 20 gesunken sei und entweder eine Hortnerin hätte entlassen werden oder beide auf 30 Stunden hätten herabgesetzt werden müssen und das im Einverständnis des Personalrats geschehen sei, die Beklagte am 12.01.1993 Berufung gegen das am 23.12.1992 zugestellte, der Klage wegen unzureichenden Vortrags zur Anhörung des Personalrats stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt und am 11.02.1993 - nach Verlängerung der Frist bis zum 12.03.1993 - begründet hat unter Wiederholung ihres Vorbringens nunmehr beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen und Zurückweisung der Berufung von der Klägerin beantragt wird, weil die Sozialauswahl falsch sei, da sie ältere Rechte als die erst seit 13 Jahren beschäftigte 32 Jahre alte Kollegin habe, war nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Personalrätin Zeugin B zu entscheiden, daß die Klage unbegründet ist, nachdem auf Grund der Beweisaufnahme feststeht, daß die Personalratsanhörung rechtzeitig, vollständig und deshalb ordnungsgemäß war, der starke Rückgang der Kinderzahl eine Herabsetzung der Betreuungskräfte auch aus Kostengründen erforderlich machte und nach der Bedarfskündigungsregelung des Einigungsvertrages Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 2 bis zum 31.12.1993 eine Herabsetzung der Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst erleichtert möglich ist, diese Regelung auch für die Änderungskündigung gilt und § 1 KSchG ersetzt sowie eine gleichmäßige Herabsetzung der Arbeitszeit für beide Hortnerinnen einer vernünftigen Auswahl und Regelung entspricht, zumal die Klägerin zwar älter und länger beschäftigt, die Kollegin aber verheiratet ist und zwei Kinder hat, so daß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage mit der Kostenfolge des 91 ZPO abzuweisen und die Revision nicht zuzulassen war, da es sich um einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, und folglich nur auf die Nichtzulassungsbeschwerde des § 72 a ArbGG hinzuweisen ist.“
     
     
    Tja, so schön
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