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Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Titel: Die kuriosesten Faelle vor Gericht
Autoren: Walter Schlegel
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Frage an das Kind gestellt, wem es sich mehr zugeneigt fühlt. Doch da Hunde nicht in den Zeugenstand und zudem keine Fragen zur Zufriedenheit eines Richters beantworten können, musste eben ein „Tierexperte“ das Verhalten des Hundes begutachten und die Frage klären.
     
    Der dafür durchgeführte Test lief im Gerichtssaal unter den wachen Augen des Richters ab. Dafür wurde der Hund von der Leine gelassen und man wollte sehen, zu wem er als erstes rennt: Frauchen oder Herrchen. Umgehend nachdem die Leine gelöst war, rannte der Pudel zu seinem Herrchen, der die Klage eingereicht hatte, sprang auf seinen Schoß und schleckte ihm über das Gesicht. Der aufmerksame Sachverständige erkannte daran, dass der Hund also tatsächlich noch starke Zuneigung zu seinem früheren Herrchen empfand und führte in seinem Gutachten für das Gericht aus, dass eine „enge Bindung zu beiden Bezugspersonen“ vorhanden wäre. Weiterhin – immerhin werden Sachverständige und Gutachter vor Gericht nach Seiten bezahlt – nahm er ausführlich Stellung zur Sensibilität und seelischen Verfassung des Hundes und speziell im Hinblick auf die Rasse, der er angehört. Schlussendlich kam der Gutachter zu dem Entschluss, dass für den Hund „Wuschel“ trotz seiner „Sensibilität“ keine bleibenden Schäden zu erwarten seien, wenn sein früheres Herrchen, also der Kläger, regelmäßig mit ihm Gassi gehe.
     
    Der Richter stellte schließlich fest, dass Tiere grundsätzlich Wesen seien, bei denen man nicht ohne „Rücksicht auf Gefühle“ entscheiden dürfte und sprach dem Ex – Mann ein Umgangsrecht zu. Da das Gericht, so die Begründung weiter, bei „Wesen“ auch auf die „Verwurzelung der Gefühle“ achten müsse, kann ein vollständiges Sorgerecht nicht ausgesprochen werden, da dies die Trennung von seinem Frauchen bedeuten würde, bei der der Pudel immerhin aktuell lebt und damit seinen Lebensmittelpunkt hat. Ihn aus dieser gewohnten Umgebung herauszureißen würde einen Schaden für den Hund bedeuten, den das Gericht jedoch nicht riskieren kann. So gab es dem Ersatzantrag des Klägers statt, wenn schon nicht das volle Sorgerecht, ihm doch das Umgangsrecht zu gewähren.
     
    Der entsprechende Passus im rechtskräftigen Urteil liest sich dann wie folgt:
     
     
    a) Der Antragsteller hat das Recht, den Hund Wuschel, der sich bei der Antragsgegnerin befindet, zweimal monatlich zu sich zu nehmen, um mit ihm zusammen zu sein und auch spazieren zu gehen.
    b) Diese Begegnungen zwischen dem Antragsteller und dem Hunde finden jeweils am 1. und 3. Donnerstag eines jeden Monats in der Zeit von 14 bis 17 Uhr statt.
     
    c) Der Antragsteller wird den Hund jeweils um 14 Uhr bei der Antragsgegnerin abholen und ihn dann bis spätestens 17 Uhr wieder dorthin zurückbringen.
     
    Übrigens war diese Entscheidung keineswegs ein Meilenstein in der Geschichte deutscher Rechtsprechung. Denn auch wenn viele Kläger und geschiedene Paare mit gemeinsamen Haustieren sich in der Folge dieses Urteils um eine gerichtliche Entscheidung und ein ähnliches Urteil bemühten und damit auf der Welle dieses Urteils mitschwimmen wollten, so blieben ähnlich gelagerte Klagen vor anderen Gerichten erfolglos. So hat das Oberlandesgericht Bamberg nur wenige Jahre nach diesem Urteil entschieden, dass sich ein Hund nicht mit einem gemeinsamen Kind vergleichen lasse und deshalb schon gar kein Umgangsrecht zustehen könnte (Aktenzeichen 7 UF 103/03). Ebenfalls abgelehnt hat einen solchen Anspruch das Oberlandesgericht Hamm mit seiner Entscheidung II – 10 WF 240/10. Es konnte in einer solchen Streitigkeit nicht den Vergleich oder die Anwendbarkeit mit den Vorschriften über eine Hausratverteilung bei getrenntlebenden Paaren sehen.
     
    Wer hat also letztendlich Recht in einem solchen Fall? Der Richter, der den Hund als „Wesen“ und damit als Mitgeschöpf sieht, mit dem laut Recht nicht willkürlich umgegangen werden darf oder die anderen Gerichte, die in einem Hund eine „Sache“ sehen, wenn kein anderes Recht diese Interpretation ausdrücklich verbietet (wie es ja leider bei Scheidungen und dem Sorgerecht der Fall ist. Dort existieren keine ausdrücklichen Vorschriften für Tiere nach einer Scheidung)? Eine Frage, die – wie die sehr unterschiedlichen Urteile in vergleichbaren Fällen zeigen – nicht sehr leicht zu beantworten scheint. Doch immerhin konnte der Pudel Wuschel die ihm verbliebenen Jahre bei beiden „Eltern“ verbringen, auch wenn der eine
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