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Die Kundschafter

Die Kundschafter

Titel: Die Kundschafter
Autoren: Hans Kneifel
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ihn Buruna. »Vielleicht solltest du versuchen, ... «
    »Ich bin schon auf dem Weg.« Mythor zog das Gläserne Schwert, rannte zum Langhaus zurück und über Steinplatten an den Rand des Dammes. Im selben Augenblick kamen die Bußgänger auf der anderen Seite der schmalen Brücke an, die über das strudelnde und rauschende Wehr führte. Mythor eilte an dem riesigen Wasserrad vorbei, das ihn mit einem Tropfenschauer übersprühte, und blieb drei Schritt vor dem Ende des Steges stehen.
    »Halt! Nicht weiter!« rief er scharf.
    Der finstere Gesang der Geißler hörte nicht abrupt auf. Die ausgemergelten Gestalten unter den dunklen Mänteln und Kapuzen prallten gegeneinander, als sie anhielten. Langsam hob der erste Mann in der langen Reihe der schwankenden Elendsfiguren den Kopf und schob mit einer matten Bewegung die schmutzstarrende Kapuze in den Nacken. Ein schmerzlicher Blick traf Mythor.
    Mythor starrte in das von Schwären bedeckte Gesicht und rief: »Anid Levere! Haltet an!«
    Die Geißler schienen zu erschöpft, als dass sie sich an eine Auseinandersetzung mit dem dunkelhaarigen Krieger gewagt hätten.
    »Herr Mythor«, stammelte Anid. Er sah furchtbar aus. An seinem Gesicht war fast nichts Menschenähnliches mehr. Er ließ seine Stricke mit den verkrusteten Knoten sinken und sagte krächzend: »Warum stellst du dich gegen uns?«
    »Der Wald und das Gebüsch sind voller Tiere. Sie gehören dem Herrn dieser Mühle. Ihr jagt die Tiere in alle Richtungen davon. Macht einen Bogen um die Mühle!«
    »Wir sind erschöpft!« gab Anid zurück. Hinter ihm schwankte ein Ugalier und kippte zur Seite. Ein anderer Geißler streckte schlaff einen Arm aus und versuchte zu helfen, aber er erhaschte nur den Saum eines Ärmels, der knirschend abriss. Der Geißler schlug schwer in den schlammigen Boden.
    »Das sehe ich. Würdet ihr euch weniger geißeln, wäret ihr besser bei Kräften«, gab Mythor zurück. »Bei Erain! Krankheit bekämpft man nicht mit Auspeitschung.«
    »Was sollen wir tun?«
    »Dasselbe wie bei den Bauern, die euch verbrennen wollten«, rief Mythor durch das Rauschen des Wassers.
    »Geht dort entlang, durchquert den Bach, und dann bringt euch jemand etwas Essen. Aber hört mit eurem schauerlichen Singen auf.«
    Anid Levere starrte ihn an, als sei er der einzige, der ihn vor der gelben Pest retten könne. »Das werden wir tun. Du hast uns schon einmal geholfen, Mythor!«
    »Ich helfe euch auch jetzt, wenn ich kann!«
    Anid drehte sich schwankend um und rief einige Anordnungen. Die anderen Männer schwiegen und gehorchten langsam, als seien sie halb erstarrt. Die Karawane des Elends setzte sich wieder in Bewegung, diesmal noch langsamer und fast lautlos. Und wieder schaute ihr Mythor kopfschüttelnd und ein wenig ratlos nach.
    Als er sich umdrehte und zu Vercin und Buruna zurückgehen wollte, merkte er, dass noch mehr Tiere flüchteten. Schwarmweise rasten kreischende Vögel flussabwärts. Aus dem dürren Uferschilf flüchteten weiße und farbige Schwimmvögel. Im Gebüsch krachten splitternde Äste, wenn größere Tiere davonsprangen. Die Pferde in der Koppel keilten aus und wieherten, als ob sie in panischer Furcht wären.
    Mythor begann zu rennen und sagte atemlos, nachdem er Buruna und Vercin erreicht hatte: »Es sind die Leute aus Ugalos. Wir haben sie schon einmal getroffen. Anid Levere ist ihr Anführer.«
    Buruna bewies wieder einmal, dass sie schnell denken und richtig handeln konnte. Sie wandte sich an Vercin und sagte ihm, dass er sich mit einigen einfachen Nahrungsmitteln sozusagen freikaufen konnte.
    »Wie viele sind es?« fragte er verzweifelt, denn er hörte und fühlte die Panik, die seine Tiere ergriffen hatte.
    »Über dreißig!« sagte Mythor. »Aber trockenes Brot und etwas zu trinken genügt ihnen!«
    »Ich hole es«, entgegnete Vercin. »Hilfst du mir, schöne Frau?«
    Buruna lief mit ihm zurück ins Haus. Mythor wandte sich nach rechts und rannte den Bachlauf aufwärts, bis er an die Furt kam. Der Zug der Bußgänger schwankte und torkelte näher.
    Mythor deutete den Bach weiter hinauf und schrie: »Anid! Geht noch etwas weiter! Die Tiere flüchten noch immer vor euch!«
    »Es geht nicht schneller! Wir sind erschöpft!«
    »Es ist schon Essen unterwegs.«
    Was es war, das die Tiere zu solch panischer Flucht trieb, wusste Mythor nicht. Aber er verstand jetzt die Furcht der Bauern, als die Geißler an deren Höfen vorbeigezogen waren. Auch die Tiere der Bauern waren geflüchtet und hatten
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