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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin
Autoren: Stefan Nowicki
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Gesicht. „Fulk, Gott sei Dank. Hast du Wasser?“, fragte sie mit rauher Stimme. Das Entsetzen in ihren Augen ließ den Normannen gleich zu seinem Schlauch greifen. Gierig trank Ursula und ließ erst außer Atem ab, als Fulk ihr den Schlauch entriss. „He, nicht alles!“ Drohend und mürrisch klang seine Stimme. „Was machst du hier?“
    „Ich suche Wasser. Doch alle Brunnen sind verseucht.“
    „Geh hier die Gasse runter und bieg in die nächste rechts ein. Im zweiten Haus ist eine Zisterne, dort kannst du deine Schläuche füllen.“
    „Danke, Fulk, danke“, rief Ursula und rannte sofort los. Verwundert sah ihr der Normanne nach.
    Sie fand das Haus und auch das Becken, in dem noch Wasser stand. Bepackt mit den gefüllten Schläuchen suchte sie sich ihren Weg zurück zu Hilde.
    Nachdem die Freundin getrunken hatte, flehte Ursula sie an: „Komm Hilde, lass uns schnell weiterziehen. Wir müssen aus dieser Stadt raus.“
    „Ursula?“ Jetzt erst bemerkte Hilde, wie verstört die junge Schwangere war. „Was ist los? Was ist dir widerfahren?“
    „Die Krieger, die Krieger“, stotterte Ursula, „sie braten und essen die Toten!“
    Der Ausdruck, den Hilde im Gesicht ihrer Freundin sah, ließ sie keinen Augenblick an deren Aussage zweifeln.
    „Komm“, sagte sie schlicht und legte sich den Gurt wieder über. „Komm, dann lass uns hier verschwinden.“
    Auch Ursula nahm ihr Geschirr auf, und gemeinsam zogen sie ihren Karren, so rasch sie konnten, durch die Stadt und hinaus auf das freie Feld.
    Am Abend kam Roderich auf sie zugeritten. Er sprang vom Pferd und umarmte Ursula stürmisch. „Die meisten Städte auf dem Weg nach Jerusalem haben Boten zu Verhandlungen geschickt. Sie fürchten uns und wollen sich freikaufen“, berichtete er begeistert. „Der Weg nach Jerusalem ist so gut wie frei.“

Vor den Toren Arqas,
16. April 1099
    Im ersten Licht des Tages sah Ursula zum ersten Mal ihren eigenen Sohn. Sie hob ihn hoch und begutachtete ihn. Er war wunderschön. Zarter dunkler Flaum klebte ihm an der Haut seines Schädels. Mit winzig kleinen Augen sah er seine Mutter an. Ursula weinte vor Glück und Verzweiflung. Wenn doch Roderich hier wäre, wenn man sie doch bloß bald finden würde! Als das kleine Bündel nun zu schreien begann, öffnete sie ihr Kleid und führte den kleinen Kopf an ihre Brust. Gierig schnappte der winzige Mund nach ihrer Brustwarze und begann unversehens, daran zu saugen. Das Stillen erfüllte Ursula mit Ruhe und Glück. „Alles wird gut, alles wird gut“, murmelte sie vor sich her.
    Als ihr Sohn an der zweiten Brust eingeschlafen war, legte sie ihn kurz ab, um sich um ihr eigenes Wohl zu kümmern. Die Stoffstreifen zwischen ihren Beinen waren durch und durch rot. Sie blutete noch immer. Sie legte frischen Stoff über ihre Scham und schloss die Beine. Sie fühlte sich schwach. Nach ein paar Schluck Wasser aus dem fast leeren Schlauch lehnte sie sich zurück in den Schatten des Felsens, nahm das Kind in die Arme und wiegte es sanft hin und her. Der Knabe sah so friedlich aus, dass ihr erneut die Tränen kamen. In was für eine Welt hatte sie ihren Sohn geboren.
    Doch das kleine Gesicht versöhnte sie mit der Welt und füllte ihr Herz mit Zuversicht. „Nein, mein Sohn.“ Flüsterte sie dem Säugling ins Ohr. „Die Welt ist nicht nur Krieg und Pilgerfahrt. Wir haben es schon bald geschafft. Wir werden in Jerusalem einziehen, das Himmelreich ist uns gewiss, so wie es der Papst und der Einsiedler versprochen haben. Dein Vater wird für seine Dienste entlohnt werden und wir werden uns eine Bleibe suchen. Vielleicht eröffnet dein Vater eine Schmiede und wenn du groß bist bringt er dir das Handwerk bei. Oh, glaube mir, er wird Augen machen, wenn ich zusammen mit dir ins Lager komme und dich ihn in den Arm lege. Und Hilde erst, die wird gar nicht mehr von dir lassen können. Oh du mein lieber Sohn, ich danke Gott für all die Gnade und für dich. Vor uns liegt ein wunderschönes Leben.“
    Ursula fühlte sich sehr müde und erschöpft, sie versuchte sich vorzustellen, wie sie und Roderich in Jerusalem getraut werden. Wie sie sich ein Haus einrichten würden, in der Stadt oder auf dem Land. Sie könnten auch zurückkehren nach Antiochia. Oder sollten sie ganz zurück, nach Franken? Nein, Ursula wusste genau, zurück das sollte es nicht mehr geben. Es gab nur noch ein nach vorne Schauen, ein Leben mit Roderich, mit ihren Kindern und wenn sie bei ihnen bleiben wollte mit Hilde.
    „Mein
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