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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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gleich umziehen wollten. Ein Exemplar eines solchen Schuppens konnte ich in natura bewundern. Neil hatte das Ding eigenhändig am hinteren Ende des Gartens errichtet. Offenbar diente es ihm zugleich als Büro und Anschauungsmaterial für interessierte Kunden, die wissen wollten, was sie für ihr Geld bekamen. Im Grunde war es nur ein einfacher, zusätzlicher Raum, sozusagen die große Version einer Spielhütte für Kinder: ein Häuschen mit einem schrägen Dach, zwei Fenstern, einer Tür und genug Platz für ein Sofa, einen Schreibtisch und ein Bücherregal.
    Mitten am Vormittag saßen wir draußen in der warmen Sonne und tranken Kaffee. An einer Wand rankte sich eine Clematis hoch, und die Blumenbeete waren voll von Pflanzen und Büschen. Über meinem Kopf summte eine Biene. Ich nahm einen Schluck Kaffee, lehnte mich zurück und seufzte.
    »Wie schön«, sagte ich, »da überrascht es mich nicht, dass du von zu Hause aus arbeitest.«
    »Es ist nicht immer so.«

    »Meine Wohnung ist ungefähr so groß wie dein Schuppen, aber nicht annähernd so gemütlich. Vielleicht sollte ich mir auch so einen zulegen.«
    Er lachte. Ich bemerkte, dass sich von seinem linken Augenwinkel eine alte, kaum noch sichtbare Narbe schräg nach unten zog. Seine Augenbrauen waren dicht und dunkel. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich fragte, ob ihm wohl jemand in seinem kleinen Haus Gesellschaft leistete und ihm beim Gießen seiner Pflanzen oder bei seiner Buchhaltung half.
    »Einverstanden«, sagte Neal.
    »Bitte?«
    »Ich mache mit.«
    »Wirklich?«
    »Ich fahre dieses Jahr erst Ende September weg. Es wird mir meinen Sommer versüßen.«
    Wir sahen uns an und mussten beide lächeln.

Danach
    Wir sprachen beide in einem heiseren Flüsterton.
    »Ich wusste mir keinen anderen Rat.«
    »Was für ein Schlamassel.«
    »Ich habe dich angerufen, weil ich dir vertraue.«
    »Inwiefern? Was erwartest du von mir?« Sonia starrte erneut auf die Leiche und dann kurz in meine Richtung, wandte den Blick aber rasch wieder ab, als kostete sie es Überwindung, mir direkt ins Gesicht zu sehen. Ich registrierte, dass sie die ganze Zeit nervös die Hände bewegte, indem sie die Finger abwechselnd zu Fäusten ballte und spreizte.
    »Keine Ahnung. Ich wusste mir einfach keinen anderen Rat. Sonia, ich brauche Hilfe. Ich kann doch nicht…« Ich schluckte krampfhaft. »O mein Gott, o mein Gott«, fuhr ich fort. »Ich brauchte einfach jemanden an meiner Seite.« Ich
stieß die Worte so gepresst hervor, dass ich nicht sicher war, ob Sonia sie überhaupt verstehen konnte.
    Sie vermied es nach wie vor, mich richtig anzusehen. Ihr Mund stand leicht offen, und ihr Gesicht war zu einer Art traurigen Grimasse verzogen. Immer wieder wischte sie sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Bevor du irgendetwas anderes sagst, lass mich vorab eines klarstellen: Du solltest die Polizei rufen. Was auch immer hier passiert ist …«
    »Du verstehst nicht.«
    »Da hast du verdammt recht. Verdammt recht! Was für ein gottverdammtes Schlamassel!« Sonia fluchte so gut wie nie. Selbst jetzt klang es, als spräche eine Fremde aus ihr.
    »In meinem Kopf dreht sich alles.« Ich versuchte mich auf ihr Gesicht zu konzentrieren, doch es verschwamm mir immer wieder vor den Augen, als wäre ich sehr müde oder sturzbetrunken.
    »Das ist ein Albtraum. Mein Gott!«
    »Ich weiß.«
    »Warum wolltest du, dass ich herkomme?«
    »Ich wusste mir einfach keinen Rat«, erklärte ich kläglich, »und konnte es nicht ertragen, allein zu sein mit…« Einen Moment lang sahen wir beide zu der Leiche hinüber, wandten den Blick aber schnell wieder ab. »Mit ihm.«
    Sonia presste die Hand auf den Mund, als müsste sie ein Geräusch unterdrücken, und murmelte dann irgendetwas Unverständliches. Auf ihrer bleichen Stirn glänzten Schweißperlen.
    »Ihr wart ein Liebespaar?«
    »Was?« Selbst jetzt konnte ich es noch nicht aussprechen.
    »Ich habe gefragt, ob ihr ein Liebespaar wart.«
    In meinem Kopf rauschte es. Ich spürte, wie mir die Schamesröte in die Wangen stieg und mir so heiß wurde, dass ich glaubte, daran zu verbrennen. »Das spielt jetzt doch alles keine Rolle mehr.«
    »Wie kann man nur so dumm sein! O Bonnie! Warum nur?«
Sie deutete zu der Leiche hinüber, sah sie dabei aber nicht an.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stammelte ich.
    »Das ist alles so, so…« Sonia verstummte. Erneut presste sie für einen Moment die Hand auf den Mund, als würden sonst weitere, unerwünschte
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