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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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ihr langes schwarzes Haar zurückgebunden.
    »Gott sei Dank!«, stieß ich hervor.
    Sonia nahm mich am Arm. »Du zitterst ja. Was ist denn passiert?«
    »Du musst mitkommen.«
    Ohne ein weiteres Wort übernahm ich die Führung. Sonia ging langsamer als ich, so dass ich sie immer wieder zur Eile antreiben musste. Die ganze Zeit rechnete ich damit, jemandem über den Weg zu laufen. Dabei stand das Haus, in dem Liza
wohnte, ganz am Ende der Straße, direkt vor der Bahnlinie, wohin sich nur selten jemand verirrte. Hin und wieder hingen ein paar Jugendliche dort herum  – vermutlich, weil sie irgendetwas im Schilde führten und vor neugierigen Blicken von der Hauptstraße sicher sein wollten  –, aber heute war niemand zu sehen. Rasch sperrte ich die Haustür auf, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als ich die Wohnungstür erreichte.
    »Bonnie?«
    »Ich wusste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte«, flüsterte ich. »Bitte sei ganz leise.«
    Mit diesen Worten schloss ich die Tür auf. Nachdem wir beide eingetreten waren, verriegelte ich sie sofort wieder.
    Sonia schaffte es irgendwie, ruhig zu bleiben. Ich hörte sie nicht mal nach Luft ringen. Mit schlaff herabhängenden Armen und leicht vorgerecktem Kinn stand sie einfach nur da  – wenn auch ein wenig breitbeinig, als hätte sie Angst, das Gleichgewicht zu verlieren  – und starrte mit völlig ausdrucksloser Miene auf die vor ihr liegende Leiche hinunter. Es war, als hätte jemand einen feuchten Lappen genommen und ihr damit jede Spur von Mimik aus dem Gesicht gewischt. Ich rührte mich ebenfalls nicht von der Stelle. Während ich wortlos auf eine Reaktion von ihr wartete, hörte ich nur das Geräusch meines eigenen Atems.
    Endlich veränderte sie leicht die Position und sagte im Flüsterton: »Es ist…«
    »Ja.«
    »Er ist tot.«
    »Ja.«
    Sie blickte sich um, als rechnete sie damit, plötzlich noch jemanden im Raum stehen zu sehen. Ich konnte verfolgen, wie sie nacheinander die einzelnen Gegenstände wahrnahm: die eingeschlagene Gitarre, die umgekippte Vase mit den Tulpen, den auf der Seite liegenden Stuhl. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Leiche.

    »Ich verstehe das nicht«, stieß sie hervor, ohne mich anzusehen.
    »Es tut mir so leid.«
    »Was tut dir leid?«
    »Dass ich ausgerechnet dich angerufen habe.«
    Endlich drehte sie sich zu mir um. Für einen Moment blieb ihr unruhiger Blick an meinem Gesicht hängen, dann wanderte er hinunter zu dem Bluterguss an meinem Hals.
    »Ihr beide wart…?«
    »Irgendwie liiert, ja«, antwortete ich.
    Sie stieß einen langen, tiefen Seufzer aus, als hätte sie seit dem Betreten der Wohnung die Luft angehalten. Es klang fast wie ein leises Aufheulen.
    »Warum wolltest du, dass ich herkomme?«

Davor
    »Ich weiß nicht, Bonnie.«
    »Heißt das, du könntest es dir vorstellen?«
    »Ich rühre die Gitarre kaum noch an.«
    »Das macht doch nichts!«
    »Willst du mir jetzt erzählen, dass man das genauso wenig verlernt wie Radfahren?«
    »Würde dich das überzeugen?«
    Neal musste lächeln, was ihm etwas mehr Ähnlichkeit mit dem Mann verlieh, an den ich mich von der Uni her erinnerte. Wir hatten uns fast zehn Jahre nicht gesehen und auch damals nicht besonders gut gekannt. Er war ein Freund von Andy gewesen und von uns ins Boot geholt worden, weil wir jemanden brauchten, der Bass spielte  – was er recht kompetent tat. So hatte ich ihn im Grunde auch immer gesehen: als kompetent und praktisch veranlagt. Sein Haar war dunkler, als ich es in Erinnerung hatte, dafür aber nicht mehr so lang wie früher,
als es ihm bis auf die Schultern fiel. Zugenommen hatte er auch. Optisch wies er nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem dürren jungen Mann auf, den damals alle in der Band mochten, weil er immer so hilfsbereit alles reparierte, was kaputtging, und ohne zu murren herumkutschierte, was herumkutschiert werden musste. Liza war seinerzeit sogar ein bisschen in ihn verliebt gewesen, vielleicht hatte sie ihm in betrunkenem Zustand auch mal Avancen gemacht. Trotzdem wurde nichts daraus, und nach dem Studium verloren wir ihn aus den Augen, so dass ich seitdem kaum einen Gedanken an ihn verschwendet hatte.
    Nun saßen wir im Garten seines kleinen Hauses in Stoke Newington. Ich hatte am Telefon gesagt, dass ich auch bei ihm in der Arbeit vorbeischauen könnte, doch allem Anschein nach arbeitete er von zu Hause aus. Er verkaufte Gartenschuppen an Leute, die mehr Platz benötigten, deswegen aber nicht
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