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Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Titel: Die Kommissarin und der Tote im Fjord
Autoren: Kjell Ola Dahl
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den Zug. Die Türen knallten zu.
    Der Zug fuhr los. Jetzt war es zu spät, um abzuspringen. War er im Zug oder nicht? Sie sah hinaus auf den Bahnsteig. Keine Lotsenjacke zu sehen. Aber der Zug fuhr immer schneller. Bald waren die Menschen auf dem Bahnsteig ein zusammenhängender Schatten. Dann fuhr der Zug in den Tunnel.
    Sie ging langsam nach vorn. Bahnte sich einen Weg zwischen den Passagieren hindurch. Manche sahen sie an, andere sahen an die Decke, wieder andere klammerten sich an ihre Einkaufstaschen. Sie drängte sich weiter nach vorn.
    Es war unmöglich, in den Wagen vor ihr zu sehen. Sie zweifelte wieder. Hatte sie ihn verloren?
    Der Zug fuhr schneller. Der Wagen wackelte in den Kurven. Lena musste sich festhalten.
    Dann fuhren sie in die Station Stortinget ein.
    Der Zug hielt.
    Die Türen öffneten sich. Lena trat auf den Bahnsteig hinaus und ging weiter nach vorn.
    In der Menschenmenge, die ausstieg, war er nicht zu sehen.
    Sie stellte sich vor die Tür des ersten Wagens. Einen Fuß auf dem Bahnsteig, einen im Wagen.
    An einer Tür weiter vorn bewegte sich jemand.
    Wieder trafen sich ihre Blicke. Zehn Meter lagen zwischen ihnen. Er stand an einer Tür. Sie an einer anderen.
    Sie hielten Blickkontakt. Er hob eine Hand zum Gruß.
    Sie stand bewegungslos und starrte ihn an.
    Der Ausdruck in seinen Augen war leer und kühl. Nicht der Hauch eines Gefühls, dachte sie. Wahrscheinlich waren da nie Gefühle gewesen.
    Einige Nachzügler kamen die Treppe heruntergelaufen und sprangen in den Zug.
    Würde er aussteigen oder wieder in den Wagen springen?
    Sie stand ganz still.
    Die Passagiere hatten sich gesetzt.
    Lena und Steffen standen immer noch und sahen sich an.
    Ein scharfes Pfeifen signalisierte, dass die Türen geschlossen wurden.
    Sie wartete, wartete, wartete.
    Als er hinaussprang, machte sie einen Schritt nach rechts. Die Türen knallten zu. Er versuchte, sie aufzudrücken und sich wieder hineinzuzwängen. Ohne Erfolg. Der Zug setzte sich in Bewegung. Er ließ die Tür los.
    Der Zug verschwand in den Tunnel.
    Sie standen allein auf dem Bahnsteig und sahen sich an. Jetzt konnte sie einen fremden Ausdruck in seinem Gesicht erkennen. Er zog eine Art beschämter Grimasse. Sie begriff. Sie hatte gerade einen Moment der Hilflosigkeit beobachtet. Der ertappte Ausreißer.
    Als er begann, auf sie zuzugehen, stand sie ganz still.
    Bald trennte sie nur noch ein Meter.
    »Ich soll von Bodil grüßen«, sagte Lena.
    »Von wem?«
    »Bodil Rømer, der Mutter deines besten Freundes.«
    Er antwortete nicht. Aber sein Blick flackerte kurz.
    »Das war ein kleiner Exkurs«, sagte sie. »Was ich meine, ist: Du bist verhaftet.«
    Ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Tasche und betrachtete das Display.
    »Geh ruhig dran«, sagte Steffen, der die Fassung wiedererlangt zu haben schien.
    Es war Rindal. Er wollte wissen, wo sie war. »Haltestelle Stortinget«, sagte sie, »T-Bahn.«
    Rindal wollte wissen, ob sie alles unter Kontrolle hatte.
    »Ja«, sagte sie und unterbrach die Verbindung.
    »Und was jetzt?«, fragte Steffen, als sie das Handy wieder in die Tasche steckte.
    Lena blieb die Antwort schuldig. Er hatte gehört, was sie gesagt hatte. Wenn er so tun wollte, als sei nichts geschehen, war das seine Sache. Sie nickte mit dem Kopf zur Treppe. »Gehen wir?«
    Er blieb ein paar Sekunden stehen und sah sie an, als frage er sich, ob sie es ernst meinte. Schließlich zuckte er mit den Schultern und setzte sich in Bewegung.
    Sie gingen langsam Seite an Seite die Treppe hinauf in die große Halle. Hier waren nur wenige Menschen. Steffen steuerte auf die Rolltreppe zu.
    Lena stellte sich neben ihn, auf dieselbe Stufe.
    »Meine Güte«, seufzte er. »Jetzt übertreibst du aber ein bisschen, findest du nicht?«
    Lena antwortete nicht.
    Ein dunkelhaariges Mädchen im Teenageralter kam langsamgleitend auf der Rolltreppe neben ihnen herunter. Das Mädchen sah erst sie und dann Steffen an. Da streckte er den Arm aus, zeigte auf sie und rief: »Guck nicht so!«
    Das Mädchen zuckte zusammen und lief mit gesenktem Blick weiter.
    Lena fragte sich, wie sie diesen Ausbruch deuten sollte. Sie hatte ihn noch nie so erlebt. Aber danach wirkte er wieder so ruhig, als habe es diesen Zwischenfall gar nicht gegeben.
    Sie erreichten das Ende der Rolltreppe. Blieben beide stehen. Menschen, die hinter ihnen gestanden hatten, gingen an ihnen vorbei zum Ausgang.
    Sie blieben allein. »Gib mir das Messer«, sagte Lena.
    Er brauchte einen Moment, um zu
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