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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie
Autoren: Ben Bova
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Nacht kein Auge
zugetan.«
    »Schon gut«, sagte er, aber er konnte sich nicht vom
Fenster losreißen.
    Dann stand sie plötzlich neben ihm, den rosafarbenen
Morgenrock um die Schultern. Sie legte den Kopf auf seine Schulter,
und er spürte die sanfte Wärme ihres Körpers.
    »Komm schon, Liebling. Man hat uns gesagt, wir sollen im Haus
bleiben, bis alles vorüber ist.«
    Bill schüttelte den Kopf. »Aber wir können doch die
Saat nicht einfach liegen lassen. Wir müssen was tun. Im
Kreislauf des Wachstums ist dies eine wichtige Zeit.«
    »Du willst mich doch nicht etwa allein lassen?« fragte
Ruth.
    Er legte einen Arm um sie. »Natürlich nicht.
Aber…«
    »Keiner geht aufs Feld hinaus«, sagte sie.
    »Ich weiß… Schau!«
    Ihr Körper wurde steif, als sie sah, worauf er deutete. Ein
Terrorist in olivgrüner Uniform schlenderte über die
sumpfige Wiese, die an die bestellten Felder grenzte. Von ihrem
Fenster im vierten Stock aus konnten sie nicht feststellen, ob es
sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Aber sie konnten deutlich
das automatische Gewehr mit dem langen Lauf erkennen, das der
Guerilla über den Schultern trug.
    »Der kommt auf unser Haus zu«, flüsterte Ruth mit
angsterfüllter Stimme.
    Bill zog sie fester an sich und ging in Gedanken alle
Gegenstände in der Wohnung durch, die als Waffe zu gebrauchen
waren. Aber es gab nichts, womit man sich gegen eine automatische
Waffe hätte wehren können.
    Doch dann sagte er: »Schau, der torkelt ja!«
    »Ist er betrunken?« fragte Ruth.
    »Ich glaube nicht… er sieht eher danach aus, als
hätte er Schmerzen. Vielleicht ist er verletzt.«
    Plötzlich fiel der Guerilla mitten auf der sumpfigen Wiese
aufs Gesicht. Das Gewehr rutschte ihm von der Schulter, und er
rührte sich nicht mehr.
    Bill rannte auf die Tür zu.
    »Schließ hinter mir ab«, sagte er zu Ruth,
»und alarmiere alle Hausbewohner per Telefon. Ich geh’ und
hol’ mir das Gewehr. Vielleicht können wir uns selbst
verteidigen.«
     
    Als Bahjat zu sich kam, hatte sie rasende Kopfschmerzen. Sobald
sie versuchte, sich aufzurichten, begann sich der Raum wild um sie zu
drehen, bis sie ihren Kopf wieder zurücksinken ließ.
    Sie hatte auf einem Tisch geschlafen, mit einem dicken Notizbuch
als Kissen. Ihr war heiß, und sie fieberte genau wie in jenen
Tagen, als sie und David als Flüchtlinge durch Argentinien zogen
– konnte das wirklich erst nur wenige Monate her sein? Ihr kam
es vor wie Jahre. Damals hatte er ihr das Leben gerettet. Er hatte
sein eigenes Leben für das ihre eingesetzt.
    Und jetzt lag sie wieder krank danieder, sterbenskrank, diesmal
wegen David. Verliebt und verfeindet, dachte Bahjat. Anstatt uns das Leben zu schenken, bringen wir uns gegenseitig den
Tod.
    Sie rappelte sich hoch und schwang die Beine über die
Tischkante.
    Evelyn lag ausgestreckt auf dem Boden, sie schlief und atmete
schwer, ihr Gesicht war schweißbedeckt. Hamud saß in
einem Sessel, die Pistole in der Hand und starrte durchs Fenster auf
das Gewirr der Laborausrüstung zu seinen Füßen.
    »Wie lange habe ich geschlafen?« fragte Bahjat. Ihr Hals
war rauh und trocken. Flammende Schmerzen durchzuckten ihren
Körper.
    »Einige Stunden«, erwiderte Hamud, ohne den Blick vom
Fenster zu wenden.
    »Immer noch keine Spur von ihm?«
    »Nichts. Kein Ton mehr seit den Schüssen und den
Schreien.«
    Bahjat stieg vorsichtig vom Tisch und stellte sich auf die
Füße. Als sich die Schwerkraft plötzlich
änderte, wurden die drei durch den Raum geschleudert. Das Gehen
fiel schwer, ein einziger Schritt konnte einen vom Boden abheben.
    »Wie geht es dir?« fragte Bahjat.
    Hamud grunzte. »Ich habe Fieber, aber es ist nicht schlimm.
Ich bin kräftiger als die meisten… jedenfalls
kräftiger als der Riese.«
    »Vielleicht hat er David umgebracht.«
    »Nein. David hat ihn getötet. Es war der Riese, der
geschrien hat, nicht dein kostbarer David.«
    »Was sollen wir jetzt tun?« fragte Bahjat, indem sie
sich an den Tisch lehnte. Sie fühlte sich viel zu schwach, um
weiterzugehen.
    »Du hast eine Waffe, nicht wahr?«
    Bahjat nickte und legte die Hand an ihr Halfter.
    »Ja oder nein?« beharrte Hamud.
    »Ja doch«, erwiderte sie, weil sie merkte, daß er
sie nicht beobachtete.
    Er rappelte sich hoch, langsam und vorsichtig wie ein Greis.
»Ich werde ausziehen, um den Sauhund aufzustöbern. Ganz
gleich, wie die Krankheit auch heißen mag, mit der er uns
angesteckt hat – sie hat mich nicht so schwer erwischt wie euch.
Ich werde
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