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Die Königin von Theben

Die Königin von Theben

Titel: Die Königin von Theben
Autoren: Christian Jacq
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Hässlichkeit vergessen, wenn man sich auf seinen unergründlichen Blick konzentrierte, der sich von unten auf den Gesprächspartner richtete und in ihn eindrang wie die scharfe Klinge eines Dolchs. Es war unmöglich zu wissen, was der Herrscher der Hyksos dachte, der Ägypten jetzt schon seit zwanzig Jahren tyrannisierte.
    Wie schwellte diesem Mann der Stolz die Brust, wenn er an die Invasion dachte! Hatte sie nicht Schluss gemacht mit dreizehn Jahrhunderten ägyptischer Unabhängigkeit? Die Wagen und die Pferde aus Asien, denen die Soldaten des Pharaos nie zuvor begegnet waren, hatten unter den einfachen Menschen des Landes Panik gesät, und so war der Einmarsch rasch und reibungslos vor sich gegangen. Außerdem hatte es zahlreiche Kollaborateure gegeben, etwa die Kanaanäer, die den Verrat nicht gescheut hatten, um das Wohlwollen der Eroberer zu gewinnen.
    Als ägyptische Söldner waren sie keineswegs schlecht bezahlt, und doch hatten sie die Waffen gegen ihre eigenen Truppen gerichtet, die damit nicht nur den äußeren Angriff, sondern auch noch den inneren Feind abzuwehren hatten. Und die kleinen Festungen des Deltas waren nicht zahlreich genug, um die Flut der Eindringlinge aufzuhalten.
    »Ich wünsche einen schönen Tag, Herr!« rief der oberste Aufseher Khamudi und verbeugte sich.
    Mit seinen vollen Wangen, seinem rabenschwarzen, am runden Schädel eng anliegenden Haar, den leicht schrägen Augen, den dicklichen Händen und Füßen und dem schweren Knochenbau wirkte der dreißigjährige Khamudi viel älter, als er tatsächlich war. Er verbarg seine Angriffslust gern hinter salbungsvollen Worten, aber alle wussten, dass er nicht zögern würde, jeden zu töten, der es wagen würde, sich ihm in den Weg zu stellen.
    »Sind die Zwischenfälle beendet?«
    »Aber ja, Herr!«, bestätigte Khamudi mit einem breiten Lächeln. »Kein einziger Bauer wird mehr an Aufstand denken, dessen könnt Ihr gewiss sein!«
    Apophis, Seine Majestät, lächelte nie. Seine Miene hellte sich einzig dann auf, wenn er den Todeskampf eines Feindes mit ansah, der verrückt genug gewesen war, sich den Hyksos entgegenzustellen.
    Vor kurzem war eben dies Unglaubliche geschehen: Ein kleines Dorf in der Nähe der neuen Hauptstadt hatte gegen die unerträgliche Last der Abgaben protestiert. Sofort hatte Khamudi seine schärfsten Hunde von der Leine gelassen, zypriotische Piraten, die die Hyksos aus ägyptischen Gefängnissen befreit hatten.
    Es hatte Berater gegeben, die zur Mäßigung rieten, doch die Zyprioten hatten nicht einmal die Kinder am Leben gelassen. Sie waren in das Dorf eingefallen und hatten es dem Erdboden gleichgemacht.
    »Und die Ernte?«
    Khamudi setzte eine bekümmerte Miene auf. »Nach den ersten Berichten wird sie nicht gerade großartig sein …«
    Kalte Wut zeigte sich in Apophis' Blick. »Weniger als im letzten Jahr?«
    »Das steht zu befürchten, Herr.«
    »Die Bauern halten uns zum Narren!«
    »Ich werde ein paar Dörfer niederbrennen lassen. Dann werden sie verstehen, dass …«
    »Nein, Khamudi. Es ist nicht gut, sich gegen Sklaven zu wenden, deren Arme wir noch brauchen. Wir sollten eine andere Lösung finden.«
    »Glaubt mir, es wird sie mit Furcht und Schrecken erfüllen!«
    »Vielleicht im Übermaß.«
    Khamudi war außer sich.
    Der König setzte seinen Aufstieg fort, gefolgt vom obersten Aufseher, der stets bemüht war, einen Schritt hinter seinem Herrn zu bleiben.
    »Die Furcht ist eine gute Ratgeberin«, fuhr Apophis fort, »doch der Schrecken kann lähmen. Wir brauchen aber mehr Weizen und Gerste, um unsere Beamten und Soldaten ernähren zu können.«
    »Weder die einen noch die anderen werden dazu bereit sein, Feldarbeit zu verrichten. Wir sollten wirklich ein paar Dörfer niederbrennen lassen. Am besten im Gebiet von Theben.«
    »Wir haben Ägypten erobert«, rief ihm Apophis ins Gedächtnis, »und es ist bestimmt nicht die erbärmliche, von Feiglingen und Greisen bevölkerte Enklave Theben, von der uns irgendeine Gefahr droht. Theben zu zerstören wäre ein Fehler, mein Lieber, ein schwerer Fehler.«
    »Ich … ich verstehe nicht recht …«
    Mit Lanzen bewaffnete Soldaten verbeugten sich ehrfürchtig vor den beiden Männern. Sie gingen einen engen, niedrigen, von Fackeln erleuchteten Korridor entlang und gelangten in einen kleinen möblierten Raum.
    Hier war Apophis sicher, dass niemand ihrer Unterhaltung lauschte.
    Er setzte sich auf einen niedrigen, gänzlich unverzierten Sessel aus Sykomorenholz.
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