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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin
Autoren: Corinna Neuendorf
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stürmten aus dem Gebüsch, Schwerter und Spieße in der Hand. Armbrustbolzen sirrten durch die Luft. Erschrocken stoben Joß’ Getreue auseinander.
    »Zu den Waffen!«, rief jemand, doch da fielen die Soldaten bereits über sie her und stachen nieder, was ihnen vor die Klinge kam. Bolzen fällten einige der Landsknechte, andere suchten Deckung hinter den Bäumen oder ihr Heil in der Flucht.
    Alles ging so schnell vonstatten, dass Joß Fritz es nicht zu fassen vermochte. Ehe er selbst zur Waffe greifen konnte, wurde er am Arm gepackt und herumgerissen.
    »Komm, wir müssen fort von hier!« Auf Friedrich Berbaums Wams war ein großer Blutfleck, aber es schien nicht sein Blut zu sein. »Die anderen sind ebenfalls schon geflohen.«
    Fritz blickte auf die Soldaten, die im Blutrausch auf alles einschlugen, was sich ihnen in den Weg stellte. Wir sind verloren, dachte er. Dann wurde er mitgerissen.
    Sie hatten dem Kampfgetümmel gerade den Rücken gekehrt, als vor ihnen ein Reiter auftauchte. Die donnernden Hufe seines Pferdes ließen den Boden erzittern. Schneller, als sie zur Seite ausweichen konnten, war er bei ihnen. Als die Schwertklinge vor ihnen aufblitzte, glaubte Joß schon, dass er verloren sei, aber der Streich traf nicht ihn. Als der Reiter vorbeischoss, schrie sein Gefährte auf.
    »Friedrich!«
    Blut schoss aus der klaffenden Wunde auf der Brust des Mannes, innerhalb weniger Atemzüge färbte sich das Wams dunkel. In dem Moment kehrte der Reiter zurück! Verzweifelt blickte sich Joß nach einer Waffe um. Da sah er die Forke, die Friedrich bei sich getragen und im Sturz verloren hatte. Während die Pferdehufe auf ihn zustampften, riss er mit einem Verzweiflungsschrei die Forke in die Höhe. Die Wucht des Aufpralls ließ ihn zurücktaumeln. Knapp sauste das Schwert an ihm vorbei, dann hörte er einen Aufschrei. Wiehernd brach das Pferd zusammen und schleuderte seinen Reiter von sich. Noch während er den dumpfen Aufprall vernahm, quälte sich Joß wieder auf die Beine. Bloß weg hier, schrie es durch seinen Verstand. Wenn du stirbst, wirst du den Bauern niemals helfen können.
    Da er seinen Freund allerdings nicht zurücklassen wollte, warf er die Forke von sich und eilte zu Friedrich hinüber. Der stöhnte auf, als Joß ihm unter die Arme griff, um ihm aufzuhelfen.
    »Nein, nicht, lass mich hier.«
    »Niemals!«, keuchte Joß, und noch während er sich um Berbaum bemühte, blickte er sich nach dem Schlachtfeld um. Der Kampf war offenbar schon wieder vorüber. Die Bewaffneten trieben die Überlebenden zusammen.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihren Kameraden vermissten oder der Reiter wieder zu sich kam und Alarm schlug. Mit allen Kräften zerrte Joß seinen Freund ins Gebüsch, dann knöpfte er ihm hastig das Wams auf.
    »Du musst fliehen«, flüsterte Berbaum.
    »Nicht ohne dich«, entgegnete Fritz, während er ein Stück seines Mantels abriss. »Damit werde ich die Blutung stillen, anschließend machen wir uns auf den Weg.«
    »Wohin?«
    »Das werden wir sehen.«
    Im nächsten Moment verstummte Joß, denn er hörte, dass sich der Reiter wieder regte. Nachdem der Mann sich aufgerappelt hatte, stürmte er wutentbrannt an ihnen vorbei.
    Vor lauter Angst konnte Fritz nicht atmen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er seinem Freund die Hand auf den Mund gepresst. Nun ließ er ihn wieder los und legte ihm den behelfsmäßigen Verband an.
    »Wird es gehen?«, fragte er, als er Friedrich auf die Beine zog.
    »Es muss wohl. Aber du solltest wirklich …«
    »Kein Wort mehr, verstanden?«, zischte Joß, dann hakte er seinen Freund unter und führte ihn durch das Unterholz. Nach den Männern, die verhaftet wurden und deren Schicksal nun ungewiss war, sah er sich nicht mehr um. Doch er bat Gott im Stillen, dass er ihren Seelen gnädig sein möge.

1. Kapitel
    Stundenlang hätte Melisande ihren Vater bei der Arbeit beobachten können. In jedem seiner Handgriffe lag ein Versprechen, das sich am Ende des Tages erfüllte: Knöpfe, die das Gewand eines reichen Mannes oder einer schönen Frau zieren würden. Knöpfe aus Horn, Knochen oder Holz, verziert mit feinen Mustern oder prachtvollen Intarsien.
    Die Siebzehnjährige blickte hinüber zu ihrem Vater, dessen dunkelblondes Haar und Gestalt von flackernden Kerzen beleuchtet wurden. Er war ein hochgewachsener, kräftiger Mann, dem man auf den ersten Blick nicht ansah, welchem Handwerk er nachging. Seine Hände wirkten grob wie die eines Holzfällers, und
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