Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin
Autoren: Corinna Neuendorf
Vom Netzwerk:
zur Tür. Als Melisande die Kammer ebenfalls verlassen wollte, brüllte die Hure lauthals los. Melisande fackelte nicht lange und schwang das Schwert herum. Sie traf die Frau nicht mit der Schneide, sondern mit der flachen Seite der Klinge. Erschrocken verstummte sie, als das Metall gegen die Wange der Schreienden klatschte. Sie packte Alina beim Handgelenk und zerrte sie mit sich zur Hintertreppe.
    »Gibt es in diesem Haus auch einen Hinterausgang?«, fragte sie im Laufen.
    »Ja, aber der wird von mehreren Knechten bewacht.«
    »Sicher nicht mehr lange.«
    Kaum hatte sie das gesagt, brach ein Tumult im Schankraum aus. Offenbar hatte Joß Fritz den Aufschrei der Hure vernommen. Im nächsten Augenblick wurden Beschimpfungen laut und Tische scharrten über den Boden. Anschließend krachte es laut.
    Die Hurenwirtin schrie wütend auf. »Aufhören! Hört sofort auf!«
    Was auch immer Fritz und Bernhard taten, sie dachten gar nicht daran, der Aufforderung nachzukommen. Über ihnen wurden nun weitere Schreie laut, denn die dralle Hure hatte die anderen alarmiert. Schritte polterten über die Dielen, erreichten schließlich die Treppe.
    »Zeig mir, wo wir hin müssen!«, flüsterte Melisande ihrer Schwester zu.
    Alina blickte sich ängstlich um, dann deutete sie auf eine Tür, die von der Küche abging. »Da lang!«
    Während die Huren die Treppe hinuntergestürmt kamen, rannten Melisande und Alina durch die Küche und anschließend durch einen kleinen Gang. Da sie vor der Tür, die nach draußen führte, niemanden entdeckten, stürmten die beiden Mädchen kurzerhand hindurch. Hinter ihnen kreischte die Hurenwirtin nach ihren Knechten, was wohl der Bursche gehört hatte, der die Hintertür bewachte. Melisande hielt den Atem an, als sie ihn um die Hausecke biegen sah.
    »Komm mit!«, rief sie ihrer Schwester zu.
    Hand in Hand rannten die Mädchen die Gasse hinauf, dann bogen sie nach links ab.
    Sorge überkam Melisande. Was wurde aus Bernhard und Joß Fritz? Was, wenn die Schläger nun über die beiden herfielen? Auf einmal wünschte sie sich, ihnen das Schwert dagelassen zu haben. Da sie es nun nicht mehr brauchte, warf sie es kurzerhand von sich.
    Aus Angst, dass die Knechte oder Huren ihnen folgen könnten, machten sie erst halt, als Hufschlag vor ihnen ertönte. Waren das die Männer der Hurenwirtin? Eigentlich war das nicht möglich, doch Melisande wollte auch sonst keinem begegnen. Rasch schob sie ihre Schwester in eine enge Seitengasse, in der es nach Mist und Unrat stank. Um sie besser verbergen zu können, schloss Melisande Alina in die Arme und warf den dunklen Mantel über sie. Schlotternd schmiegte sich die Jüngere an die Ältere. Am liebsten hätte Melisande ihr Trost zugesprochen, aber weil sie den Reitern nicht in die Hände fallen wollte, schwieg sie und begnügte sich damit, Alina festzuhalten.
    Klappernd donnerten die Rösser an der Gasse vorbei. Als Melisande kurz den Kopf hob, erblickte sie drei Reiter, deren Züge sie jedoch nicht erkennen konnte.
    »Wir müssen weiter«, sagte sie zu Alina und merkte erst jetzt, dass ihrer Schwester die Beine versagten.
    »Alina«, sagte sie leise, während sie das Mädchen so gut es ging stützte. Auch ihr Körper bebte, aber sie war um einiges kräftiger.
    »Halte durch, Schwesterherz, bald sind wir in Sicherheit, und dann kannst du schlafen.«
    Obwohl Alina die Lider halb gesenkt hielt, bot sie alle ihr verbliebene Kraft auf, um wieder auf die Beine zu kommen. Melisande stützte die Jüngere, als sie weitergingen.
    Nach einer Weile erreichten sie, ohne dass ihnen eine Menschenseele entgegengekommen wäre, die Salzgasse.
    An dem Haus angekommen, das Joß Fritz ihnen beschrieben hatte, hämmerte Melisande mit Schwung gegen die Tür. Nichts rührte sich. War denn niemand da? Oder schlief der Bewohner derart fest? Hastig blickte sie die Straße hinunter. Bis jetzt war weder etwas zu sehen noch zu hören. Doch das konnte sich jederzeit ändern.
    Das Klacken an der Tür hätte sie in ihrer Anspannung beinahe nicht bemerkt. Als der Türflügel aufgezogen wurde, hätte Melisande fast ihre Schwester fallen gelassen.
    »Joß, bist du das?«, fragte der alte Mann, der, obwohl er dicht vor ihnen stand, an ihnen vorbeischaute.
    Er ist blind, schoss es Melisande durch den Kopf, dann antwortete sie: »Joß hat uns hierher geschickt. Er sagte, dass wir bei Euch unterkommen könnten.«
    »Dann seid Ihr die Frau, der er noch einen Gefallen schuldet?«
    »Ja«, antwortete Melisande
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher