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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Rainer Siegel
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klapperten auf dem gepflasterten Weg, der durch das Tor in das Innere des Klosters und zur Kirche führte. Ein kleiner Junge bot an, sich um das Pferd zu kümmern und es zu tränken, und Karl warf ihm eine Kupfermünze zu, die der Kleine grinsend in seinen Hosentaschen verschwinden ließ.
    Die Messe zog sich in die Länge, und wie so oft in Gottesdiensten wunderte Karl sich über die Hingabe der Besucher, die doch die lateinischen Worte des Priesters und die Gesänge der Nonnen und der Novizinnen ohnehin nicht verstehen konnten. Genaues Hinhören zeigte ihm, dass es mit dem Latein des Pfaffen auch nicht weit her war, und er war froh, in einem dunklen Winkel zu stehen, sodass niemand sah, wie er gegen das Schmunzeln ankämpfen musste.
    Die älteren und ranghohen Ordensfrauen hatten die Bänkedes Gestühls eingenommen, das sich in Längsrichtung gleich vor dem Altar befand. Die jüngeren Schwestern und die Novizinnen, bewacht von ihrer Meisterin, standen in zwei Reihen dahinter, und Karl konnte hin und wieder einen Blick auf Maria werfen, die ebenfalls, so unauffällig wie sie nur konnte, immer wieder nach ihm Ausschau hielt. Sie musste sein Pferd gesehen haben, als sie mit ihren Kameradinnen die Kirche betreten hatte. Schließlich erblickte sie ihn, und ihr Gesicht strahlte. Ein kurzes kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, um den Stiefbruder zu begrüßen, doch gleich gab sie sich wieder Mühe, ein ernstes und gläubiges Gesicht zu machen. Karls Augen hafteten auf ihrem Gesicht. Wie hübsch seine Schwester doch war! Maria sah für ihn aus wie ein unschuldiger Engel. Sie war etwas größer als die meisten anderen Mädchen und hatte die blonden Haare zu einem Kranz geflochten, eine kleine Eitelkeit, die man den jungen Klosterbewohnerinnen aber durchgehen ließ. Ihr Gesicht war ebenmäßig, und ihre großen blauen Augen erinnerten Karl an ihre Mutter, der die Vierzehnjährige wie aus dem Gesicht geschnitten war. Karl bemerkte, wie einige Männer nach den Novizinnen schielten und wie so mancher Blick auf den jungen und festen Körpern ruhte. Die Mädchen trugen die unförmigen, langen, dunklen Kittel, die in Klöstern üblich waren und fast den ganzen Körper bedeckten, doch sie waren sauber, gut genährt und wirkten ausgeruht und gesund. Die Ordensmädchen wuchsen unter gänzlich anderen Bedingungen als die Dorfkinder auf, schließlich waren Klosterschulen und Frauenklöster den Töchtern guter und wohlhabender Familien vorbehalten, die sich das behütete Heranwachsen der Kinder und ihre spätere Versorgung eine hübsche Stange Geld kosten ließen. Karl hatte aufWeisung Rochus' die jährliche Summe aus dem von Zacharias verwalteten Treuhandvermögen bezahlt und über die Höhe des Betrags immer wieder den Kopf geschüttelt. Er überschlug kurz die Summe, die die Äbtissin alleine durch die Zahlungen für die Noviziate einnehmen musste und für die prächtige Gestaltung des Stifts und das Wohlergehen der vornehmen Bewohnerinnen aufwenden konnte. Im Vergleich zur Außenwelt war das Kloster eine Insel des Wohlstandes und der Sorgenfreiheit. Den einfachen Leuten musste es wie das Paradies erscheinen.
 
    Die bisherige Äbtissin war eine unbeugsame Geschäftsfrau gewesen, die den klösterlichen Besitz, die dazugehörenden Ländereien und die angeschlossenen Betriebe mit eiserner Hand verwaltete. Sie hatte ein großes Hospital errichten lassen, in dem bereits vielen Menschen geholfen wurde. Gern hatte sie Ratschläge von Karl entgegengenommen, wenn es um kaufmännische Dinge ging; von ihren Forderungen betreffend der Schutzbefohlenen war sie jedoch nie auch nur um ein Jota abgewichen. Die Frau war höchstens dreißig Jahre alt gewesen, von hoher Geburt und, wie Karl richtig vermutete, nicht ganz freiwillig hinter Klostermauern gelandet.
    Wie Karl von einem fahrenden Händler erfahren hatte, war die Äbtissin zu Beginn dieses Monats jedoch abberufen worden und hatte, was unüblich war, das Kloster verlassen. Ihrer Nachfolgerin, die umringt von den anderen Schwestern in der Mitte der rechten Bank saß, ging kein allzu guter Ruf voraus. Karl beobachtete sie genau und was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Die Äbtissin war ein streng und verschlossen wirkender alter Drachen mit dem wenig passenden Namen Innozentia, die Unschuldige. Sie kniffdie Lippen fest zusammen, öffnete sie nur dann und wann zum Singen und ließ dabei ein schlechtes Gebiss sehen. Streng musterte Innozentia die Frauen und Mädchen ihr gegenüber und
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