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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau
Autoren: Oliver Susami
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waren sie gegen drei Uhr eingeschlafen, Arm in Arm. Das war ungewöhnlich, eigentlich hielt Paula das nicht aus. Sie vertrug nur ein bestimmtes Maß an körperlicher Nähe. Sie brauche ihre Freiheit, so sagte sie immer. Und aufgewacht waren sie natürlich getrennt, nicht eng umschlungen. Sie mit dem Rücken zu ihm.
    Als Lukas sich gewaschen und abgetrocknet hatte, da hörte er das Telefon. Einfach ignorieren, sagte er sich, wenn es wichtig ist, dann ruft der- oder diejenige noch mal an. Er putzte sich die Zähne und als er gerade ins Waschbecken spuckte, da hörte er die Tür. Paula hatte es wieder getan, sie war einfach abgehauen … ohne ein Wort zu sagen. Sofort meldete sich Manfred: „Such dir eine zuverlässige Frau. Eine, mit der du Zukunft hast. Paula taugt einfach nichts.”
    Und gleich darauf Hank: „Aber der Sex ist gut. Und außerdem nervt sie nicht. Was ist schlimmer? Eine Frau, die einfach geht? Oder eine Frau, die du nicht mehr los wirst?”
    Lukas schüttelte sich, für solche Fragen war er noch zu müde. Außerdem war er sich nicht ganz im Klaren darüber, welche Seite gerade was gesagt hatte. Er machte sich Frühstück, roch Paulas Parfum und fand den Zettel, den sie geschrieben hatte:
    Ich muss los, mein Süßer. Danke für die Nacht.
    Du kannst mich mal , dachte Lukas. Dauernd faselte sie von Freiheit, dauernd beschwor sie ihren Individualismus. Eigentlich, so dachte Lukas, war sie nur eine Egoistin, die schöne Worte für ihren Egoismus fand.
    Als er sich gerade seinen Toast schmierte, da klingelte schon wieder das Telefon und Lukas war sich sicher, dass die Welt beschlossen hatte, ihn vom Frühstück abzuhalten. Irgendwelche Arschlöcher hatten sich bei Salzstangen und Orangensaft zusammengesetzt und beschlossen, dass es für Lukas keinen warmen Toast mehr geben würde. Das war die einzig logische Erklärung.
    Aber nicht mit ihm. Es klingelte weiter und er ging nicht ran. Er würde sich nachher durch die Menüführung seines Telefons kämpfen, die Nummer des Anrufers raus suchen und dann – es sei denn, es war die Nummer eines der Menschen, mit denen er nicht reden wollte – zurückrufen. So nahm es sich Lukas vor, und so geschah es ein halbe Stunde später.
    „Hallo, hier Schwester Monika. Intensivstation.”
    Lukas sagte „Äh” und dann drei Sekunden nichts. Das hatte er nicht erwartet. Intensivstation? War etwas mit seinen Eltern? Oder mit Paula? War sie aus seiner Wohnung direkt vor ein Auto gelaufen?
    „Hallo ... sind Sie noch dran?”
    „Ja ... äh, mein Name ist Lukas Kramer. Sie haben vorhin versucht, mich zu erreichen.”
    Kurzes Schweigen und im Hintergrund Krankenhausgeräusche. Lukas meinte zu hören, wie ein Bett über eine Schwelle gerollt wurde. Dann sagte die Schwester:
    „Ich habe Sie nicht angerufen ... aber bleiben Sie mal dran, ich frag mal die Kollegen.”
    Lukas blieb dran und hörte Warteschleifenmusik. Sie war beschissen, komplett mit Panflöte und allem. Nach einer Minute brach die Musik ab und Schwester Monika war wieder dran.
    „Herr Krämer? Sind Sie noch da?”
    „Kramer”, sagte Lukas.
    „Entschuldigung, dann eben Kramer. Das war der Thomas, der Sie vorhin angerufen hat. Er ist gerade bei einem Patienten. Kann er Sie gleich zurückrufen?”
    Lukas sagte ja und verabschiedete sich. Wer zum Teufel war der Thomas?
    Zehn Minuten später klingelte das Telefon.
    „Guten Tag Herr Kramer. Mein Name ist Thomas Werner, ich bin Pfleger hier im Universitätsklinikum Freiburg auf der Intensivstation.”
    „Hallo Herr Werner. Was gibt es denn?”
    „Kennen Sie eine Frau Wilma Schneider?
    Lukas erschrak. Natürlich kannte er Frau Schneider. Er sagte es dem Pfleger.
    „Die Frau Schneider wurde vor einigen Tagen bei uns eingeliefert, ihr Mann ist gestorben. Wie Sie ja wissen, ist die Frau Schneider gelähmt und kann nicht sprechen. Aber geistig ist sie ja ganz klar und so können wir uns mir ihr verständigen. Als wir sie gefragt haben, wen wir benachrichtigen sollen, da hat sie uns ihren Namen buchstabiert und dass Sie in Freiburg wohnen. Sind Sie ein Angehöriger?”
    „Nein, bin ich nicht. Ich kenne die Schneiders nur von früher. Wir waren mal Nachbarn.”
    „Würden Sie vielleicht vorbeikommen? Der Frau Schneider scheint viel daran zu liegen. Scheinbar hat sie sonst niemanden ... jetzt, wo ihr Mann tot ist.”
    „Wie ist er denn gestorben?”, fragte Lukas.
    „Herzinfarkt ... das war alles ein bisschen heftig. Frau Schneider hat das mitbekommen und er lag
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