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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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häufig wahrnehmen. Das Klima ist in der Welt angekommen, und wir werden damit umgehen, so oder so, oder vielleicht auch ganz anders. Wir haben sogar schon damit angefangen.
Regionale Manifestation: Beispiel Nordfriesland
    Das „Klima ist in der Welt angekommen“, heißt aber auch: Es hat eine regionale, ja lokale Realität angenommen – eine geophysikalische Realität, etwa im Hinblick auf Wetterrisiken, und eine soziokulturelle Realität, etwa im Hinblick auf die Bedeutung des Themas für unser Weltbild, unser Handeln, unsere Ökonomie und Politik. Wir diskutieren im Folgenden diese These anhand der Region Nordfriesland; eine Wahl, die damit zu hat, dass wir beide in diesem Gebiet mit dem Klimathema „unterwegs“ waren. Der Klimaforscher zum Thema Sturmfluten, der Ethnologe als Beobachter von regionaler Verhandlungskultur am Beispiel von Konflikten über Natur, Küstenschutz und Energiewende.
    Die Nordseeküste entlang den Niederlanden, Deutschland und Dänemark bietet sich für diese Fallstudie auch deshalb an, weil Al Gore sie in „Eine unbequeme Wahrheit“ als ein schockierendes Beispiel nutzte für die Folgen des Anstieges des Meeresspiegels als Folge des Klimawandels: In einer Animation zeigt er, wie diese Küste bis tief ins Inland von einer blauen Welle überspült wird. Ein dummes Argument, beruht es doch implizit darauf, dass die Küste in Zukunft nicht mehr durch Deiche und andere Schutzbauwerke geschützt wird: Dabei würde bereits heutzutage eben diese Küste zwei Mal am Tag überflutet, wenn der Küstenschutz die Menschen nicht davor bewahren würde. Die Animation zeigt also nicht, was überflutet werden wird, sondern was heute und vermutlich auch in Zukunft durch Deiche und andere Bauwerke geschützt sein wird.
    Das Interessante am Beispiel des realen Nordfriesland ist, dass wir hier sowohl mit der Notwendigkeit der Anpassung als auch der Möglichkeit und konkreten Umsetzung von Emissionsreduktion konfrontiert sind. Außerdem gab es hier bereits in der Vergangenheit Konflikte über den Umgang mit Risiken und Möglichkeiten. Prominent ist vor allem jener Konflikt über die Einrichtung des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, der zunächst antagonistisch geführt wurde, dann aber durch den Weg über Partizipation und politische Verhandlungen aus der Falle der angeblich wissenschaftlichen Notwendigkeit herausgeführt und schließlich „gelöst“ wurde.
    Wir diskutieren diesen Fall ausführlich, weil wir glauben, dass er als Blaupause für den Konflikt über den Umgang mit dem menschengemachten Klimawandel dienen kann. Es ist kein großer Schritt vom Schutz der „ungestörten Natur“, der damals die Konflikte auslöste, zum Klimaproblem – beidesind auf vielerlei Weise Erscheinungen der generellen Sorge um die Umwelt. Im Folgenden beschreiben wir am Beispiel des Naturschutzstreits die Entstehung einer Konfliktlösungskultur in der Region, die auf Partizipation und politischen Verhandlungsprozessen aufbaut. Danach wenden wir uns dem Klima und den damit verbundenen regionalen Herausforderungen von Anpassung und Vermeidung zu und entwickeln schließlich unseren eigenen pragmatischen Ansatz.
Eine Konfliktlösungsstrategie im Wattenmeer
    Nordfriesland ist eine Landschaft, die aus einer jahrhundertelangen Interaktion zwischen Menschen und natürlichen Kräften entstanden ist. Sie ist das Resultat aus Landgewinnung und Landverlust, Deichbau und Entwässerung, verheerenden Sturmfluten und Pioniergeist – es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine konstruierte Landschaft. Gerade deshalb eignet sich die Nordseeküste besonders gut, um zu verdeutlichen, was mit Anpassung an ein sich veränderndes Klima gemeint ist. Während Klimaforschung meist das globale Klima im Sinn hat und Klimapolitik von abstrakten Verträgen und Abkommen zur Emissionsreduktion handelt, ist an diesen Küsten Politik meist auch Klimapolitik: Küstenschutz und Deichbau sind die Voraussetzungen, um in dieser extremen Landschaft mit Meeresspiegelanstieg, Sturmfluten und anderen Gefahren zu überleben. Küstenpolitik handelt nicht von abstrakten Verträgen und Vereinbarungen, sondern immer von ganz konkreten Angelegenheiten und Dingen.
    Für die Klimaforschung geht es bei einer konkreten Landschaft darum, sich als Beraterin zur Verfügung zu stellen und die Rolle eines „ehrlichen Vermittlers“ zu übernehmen, wie Roger Pielke jr. die zeitgemäße Aufgabenstellung für die Klimaforschung definiert. Ehrlicher
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