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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Autoren: Helmut Krausser
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unbeteiligt. Von König Viktor Emmanuel III. wird er 1924 für die Besetzung Fiumes mit dem erblichen Titel eines »Fürsten von Nevoso« geadelt.
    Gabriele D’Annunzio stirbt in Gardone Riviera 1938 an einer Gehirnblutung und wird, in Anwesenheit Mussolinis, mit einem Staatsakt beigesetzt.
    Sybil Seligman taucht in den Nebel der Geschichte ab. Erst vor kurzem wurde ihr Grab wiederentdeckt (auf dem Nord-Londoner Hoop Lane Cemetery), wurden ihre Lebensdaten recherchiert und die Gründe eruiert, warum kaum Fotos von ihr existieren. Ihr scheinbar so unbeschwertes, kultiviertes Leben im intelligent genutzten Reichtum begleiteten etliche Schicksalsschläge. Das fängt früh an: Ihren Lieblingsbruder George verliert Sybil, als der mit nur 21 Jahren an Typhus stirbt. Das daraus resultierende jahrelange Trauma hat Sybil endlich überwunden, als ihre Schwester Evelyn (deren Mann aus erster Ehe sich Evelyns Untreue wegen erschossen hat) stirbt, im Mai 1910 nach langen Qualen, an einer nicht näher benannten unheilbaren Krankheit. Im selben Jahr erleidet ihr älterer Sohn Esmond, kurz nach Abschluß seiner Ausbildung in Eton, einen ersten epileptischen Anfall und wird bis ans Ende seines Lebens kaum länger als ein paar Monate gesund sein. Sybil, und das ist ein Grund, warum sie Giacomo fortan nur noch sporadisch sieht (zum vorletzten Mal in Viareggio im August 1924, zum letzten Mal in der Klinik in Brüssel), kümmert sich selbstlos und aufopferungsvoll um den Erstgeborenen, bis dieser früh – 1930 – stirbt, in Lugano, wo sich auch sein Grab findet. Ihre Angst, später die Trauer um den Sohn, lassen Sybil vor der Zeit altern, den Tod Puccinis hat sie auch nie ganz verwunden. Während des Ersten Weltkriegs, später durch den Börsencrash 1929, büßen die Beddington-Nachkommen wie auch die Seligmans einen erheblichen Teil ihrer Vermögen ein.
    Sybil nimmt früh Zuflucht zu Alkohol und Drogen, ihre Sinne verwirren sich. Kein Wunder, daß es keine Altersfotos gibt, das Ehepaar Seligman fand sich gesellschaftlich isoliert. Finanziell müssen sie zwar noch lange nicht darben, aber der einstige Wohlstand wird binnen zweier Generationen aufgebraucht sein. Sybil stirbt am 9. Januar 1936, 67 Jahre alt. Der Totenschein meldet: an Lungenentzündung.
    Ihr Mann David nimmt sich am 4. Februar 1939 das Leben, durch eine Überdosis Veronal. Auf dem Totenschein steht zu lesen: unsound mind – geistesgestört.
    Noch im selben Jahr gibt der zweitgeborene Sohn Vincent eine Sammlung der Briefe Giacomos an Sybil heraus, allerdings um viele kompromittierende Stellen gekürzt.
    Puccini wird zeit seines Lebens Geliebte haben, Giulia Manfredi (1889–1976), die Münchner Baroness Josephine von Stengel (19.3.1886–25.9.1926), mit der er sich während des Ersten Weltkriegs mehrmals in der neutralen Schweiz trifft. (Elvira soll ihn deswegen beim italienischen Geheimdienst als Spion denunziert haben.) Für deren Incognito er sich ritterlich verleugnen läßt, als er 1912 in Bayreuth unter falschem Namen die Festspiele besucht und Cosima Wagner ihn in ihre Loge bittet.
    Zu erwähnen bleibt noch Rose Ader (1890–1941), jene mit einer schönen, aber zu kleinen Stimme gesegnete Sängerin, die sich durch Giacomo eine große Karriere verspricht. Weil sich diese nicht einstellt, verraucht die Beziehung schnell, der Altersunterschied ist zu eklatant.
    Der Maestro, stets ein Melancholiker, leidet nach der Trennung von Rose Ader unter schweren Depressionen, akutem Desinteresse an beinahe allem – und schreibt doch sein Opus Summum – die Turandot . An technischer Meisterschaft und melodischer Einfallsdichte stellt das Werk beinahe alle vorangegangenen Opern in den Schatten.
    Nur das große Schlußduett, eine Hymne an die alles besiegende Kraft der Liebe, die Tristansche Ausmaße haben soll, schiebt er immer wieder hinaus, als käme sie ihm unehrlich, ja verlogen vor.
    Seine Stimmung gibt ein Gedicht vom 3. März 1923 wieder:
    Ich bin ohne Freund,
    fühle mich allein,
    selbst die Musik
    widert mich an.
    Wenn der Tod
    mich suchen kommt,
    werde ich glücklich sein,
    endlich Ruhe zu haben.
    Wie hart ist mein Leben!
    Und dennoch erscheine ich
    vielen als Glückskind.
    Aber meine Erfolge?
    Vergehen … es bleibt
    am Ende so wenig.
    Notizen am Rande, das
    Leben entschwindet,
    schreitet zum Abgrund.
    Den Jungen gehört
    die Welt, aber wer wird
    sich dessen bewußt?
    Die Jugend verfliegt so
    schnell, und das Auge
    starrt in die Ewigkeit.
    1922 erreicht er mit
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