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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Autoren: Helmut Krausser
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Sybil aus Paris, 8. Juni 1909
    Zehn Uhr Dienstag morgen, bekam Ihren Brief und Ihr Telegramm, danke. Morgen fahre ich ab … ich werde Elvira sehen … Sicher werden wir bald wiedervereint sein – es ist hart – dennoch muß ich es tun, und sei es nur dem Wohl meines Sohnes geschuldet.
    GP an Elvira, Mailand, 9. Juni 1909
    Ich werde in mein Haus in Torre zurückkehren, wenn unsre Sache geregelt ist und wir das Einvernehmen erreicht haben, das ich mir wünsche. Jetzt bitte ich Dich, hierher ins Hotel zu kommen, wo wir alleine sind und nicht einmal Personal uns zuhören kann. Warum bist Du so widerspenstig? (…)
    Er trifft sie auf neutralem Platz, in einem Hotel in Mailand, wie er es bei geschäftlichen Besprechungen zu tun pflegt, die er so gut wie nie in den eigenen vier Wänden stattfinden läßt. Der Grund dafür ist die Möglichkeit, jederzeit die Verhandlung abbrechen zu können, ohne von lästigen Gastgeberpflichten daran gehindert zu werden.
    Daß die Unterredung nichts Neues erbracht hat, zeigt sich in einem Brief von
    GP an Elvira, 12. Juni 1909
    Ich will keinen Streit. Du schreibst mir einen Brief, der eigent-lich keine Antwort verdient, so ungerecht und falsch ist er … Ich soll das Leid wiedergutmachen, an dem ich schuld bin? Das ist wirklich ein starkes Stück! Du, die Du mit Deiner krankhaften Eifersucht und mit Deiner Entourage mein Leben vergiftet hast, verlangst nun, daß ich mich demütige und um Verzeihung bitte! Du bist verrückt! Nun gut, mach, was Du willst. Ich gehe … Wenn Du zu mir zurückkehren willst, bin ich stets bereit, Dich wieder aufzunehmen. Wenn Du Deine Verteidigung im Prozeß so führen willst, wie Du sagst, nur zu. Ich habe nichts zu fürchten, nichts …
    Es gibt 1.000.000 Menschen, die meine künstlerische und menschliche Integrität bezeugen werden. Laß Tonio sich so verhalten, wie er glaubt, nach Verstand und Gefühl handeln zu müssen. Er sollte genug Urteilskraft und Herzensbildung haben, um Gut und Böse unterscheiden zu können. Ich werde Dir nicht noch einmal schreiben …
    Er fährt nach Torre und läßt den Dingen ihren Lauf.
    GP an Sybil, 16. Juni 1909
    Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen nicht mehr geschrieben habe. Ich bin von Mailand aus hierher gekommen und bin ganz allein. Meine Schwester ( Ramelde ) ist heute weggefahren. Es regnet, ich bin unglücklich, das Girl habe ich vor mir – aber es schweigt. Es ist elf Uhr nachts – welch große, unermeßliche Traurigkeit.
    Elviras Anwälte tun ihr Bestes, sie und mich zugrunde zu richten, indem sie widersprüchliche Ratschläge geben, aber ich kann verstehen, daß sie die Kosten in die Höhe treiben wollen, damit mehr herausspringt und der Fall sensationeller wird, das bedeutet für sie zusätzliche Reklame. Der Prozeß wird am 6. Juli stattfinden; es sieht nicht gut aus für Elvira. Ich habe alles nur Mögliche unternommen, indem ich mit Dorias Bruder gesprochen habe, aber er ist unversöhnlich. Er ist entschlossen, einen Prozeß zu führen. Wenn der nicht stattfindet, hat er geschworen, Elvira umzubringen – und ich glaube, daß er durchaus imstande ist, seine Drohung wahrzumachen. Mir selbst will niemand Böses, er hat sogar gesagt, daß er mir alles Gute wünscht, denn Doria hat ihn vor ihrem Tod gebeten, sie an ihrer Herrin zu rächen, ihrem Herrn aber, der immer so gut zu ihr gewesen sei, dürfe kein Leid zugefügt werden … das ist, verkürzt, die elendige Geschichte, die ich zu erzählen habe. Von draußen höre ich den Regen auf die Pflanzen tropfen; es ist kalt und ich bin allein in diesem Raum. Im Haus gibt es außer mir nur einen alten Koch, der mir, zu allem Übel, ein ganz ekelhaftes Abendessen serviert hat. Ich gehe zu Bett – was soll ich tun?
    Ich kann nicht arbeiten – ein wahres Verbrechen ist begangen worden, einen armen Kerl so zu quälen, der niemandem je etwas getan hat, wenigstens nicht mit Absicht.

9
    Elvira nimmt den kommenden Prozeß nicht allzu ernst und hält es in keinem Moment für möglich, darin eine andere Rolle als die des betrogenen Opfers zu spielen.
    Die Gerichtsverhandlung findet am 6. Juli 1909 in Pisa statt. Der Richter heißt Maurio Razzoli, seine Beisitzer sind Giulio Cirano Sivilia und Enrico Lodetto.
    Für die Manfredis agieren die Anwälte Giuseppe Grossi und Vittorio Modigliani, letzterer ein berühmter Advokat aus Livorno, der sich aus freien Stücken der Familie angeboten hat, eine geeignete Werbeplattform witternd.
    Für Elvira sind als Anwälte
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