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Die kleinen Freuden des Lebens

Die kleinen Freuden des Lebens

Titel: Die kleinen Freuden des Lebens
Autoren: Stefan Maiwald
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nach dem Sex.
     Und fühlen uns ebenso gut.

Ein Buch nach dem letzten Satz zuklappen
    E gal ob gut oder schlecht: Endlich wieder allein mit sich und seinen Gedanken. Und auf den Nachhall des Gelesenen horchen.

Lästige Mails als »gelesen« markieren und vergessen
    K lasse,
    was mit diesen neuen Programmen so alles
    geht.

Nach 35   Jahren endlich einen Friseur finden
    G laubt man den Erzählungen meiner Eltern und Großeltern, so war ich im Gegensatz zu meiner Schwester ein äußerst pflegeleichtes
     Kind. Ich war freundlich bis an die Grenze der Debilität. Ich lächelte kritiklos jeden Menschen an. Einmal entführte mich,
     ich war 3 oder 4   Jahre alt und saß auf der Schaukel, eine Gruppe verwahrloster Jugendlicher, die meine Oma bis heute hartnäckig »Zigeuner«
     nennt, aber das ist mir politisch zu unkorrekt. Diese Jugendlichen nahmen mich einfach aus dem Vorgarten mit und quälten mich
     ein bisschen, bevor sie mich wieder zurückschickten. Ich kam also blutend und besudelt zu meiner Oma zurück, die halb tot
     vor Sorge war. Und: Ich lächelte.
    Man kann mich also als sehr unkompliziertes Kind bezeichnen. Aber der Friseur war mein Untergang. Ich schrie, biss und türmte.
     Unter diesen Umständen ist es auch für einen sehr gewieften Scherenmann schwierig, Haare zu schneiden. Ich bin da nicht allein,
     diese Scheu vorm Friseur ist unserem Geschlecht angeboren, wie ich bereits in dem Buch ›Laura, Leo, Luca und ich – wie manin einer italienischen Familie überlebt‹ ausführlich darlegte. Meine Töchter zum Beispiel haben nie Angst vor dem Friseur.
     Kleine Jungs dagegen schon, und auch großen Jungs ist das alles nicht geheuer. Doch ich habe inzwischen entdeckt, dass Friseure
     was Wunderbares sind. Meine Erleuchtung hatte ich in Padua bei Fernando in seinem Marmorpalazzo und seinen unzähligen hübschen
     Gehilfinnen. Da ich inzwischen aber innerhalb Italiens umgezogen bin, habe ich einen neuen Friseur, und der ist fast noch
     besser. Er heißt Cesare und geht seinem Gewerbe ausschließlich in Anzug und Maßhemd nach. Er weiß, wann er zu schweigen hat,
     was mir guttut und, vor allem für einen Italiener, nicht leicht sein muss. Ich genieße es, bei ihm zu sein, obwohl er mir
     immer wieder beginnenden Haarausfall unterstellt, woraufhin ich ihm (und mir) versichere, diese sogenannten Geheimratsecken
     seien tatsächlich schon immer Teil meines Haaransatzes gewesen, meine Stirn sei nun einmal etwas höher. Es gibt ja viele Italiener,
     die ihren Haaransatz quasi an den Augenbrauen festgetackert haben. Das deutsche Beispiel für diesen Wuchs ist Werner Lorant,
     ehemaliger Spieler und ehemaliger Trainer des Fußballvereins TSV 1860   München. Damit kann ich leider nicht dienen.
    Cesare selbst hat einen sehr edlen, irgendwie cäsarischen Haarschnitt, mit halblangen, gewellten, graumelierten Haaren (dabei
     soll ja ausgerechnet Julius Cäsar unglücklich mit seiner Frisur gewesen sein; er litt sehr unter seiner vorzeitigen Glatzenbildung),
     vor allem aber ist er nicht nur Friseur, sondern auch noch Präsident des örtlichen Tennisclubs, einer sehr ehrwürdigen Institution,
     die einmal im Jahr gut dotierte internationale Meisterschaftenabhält. So einen deutschen Friseur möchte ich mal sehen, der sich nicht nur für Sport interessiert, sondern auch noch kraft
     des Amtes an der regionalen Sporthistorie aktiv mitschreibt.
    Die Amerikanerin Roz Chast ist eine klasse Cartoonistin und neben David Sedaris der zweite wichtige Grund, den ›New Yorker‹
     zu abonnieren. Sie schilderte einmal in einer Zeichnung ihr Unwohlsein, wenn sie sich ihrem Friseur näherte. Im Schaufenster
     hing ein Schild: »Kommen Sie rein und seien Sie dabei, wenn eine Stunde Ihres Lebens völlig sinnlos verstreicht.« Doch bei
     Cesare lasse ich gern das Leben an mir vorbeirauschen. Bei ihm und in seinem sehr kleinen Laden fühle ich mich geborgen. Ich
     lehne mich zurück und schließe die Augen. Hier – und nur hier – kann ich endlich verstehen, warum Frauen sich beim Friseur
     so gut entspannen können.

Zuhause Verkehrsnachrichten hören (oder: Ein skurriles Hobby haben)
    D ie Zeitläufte, sie laufen. Doch ich sitze hier in meinem Ohrensessel, das Leben tobt und stürmt, und ich trinke eine Tasse
     Tee. Auf der Tasse steht »Happy Christmas from Texas«, falls Sie es wissen wollen, aber vermutlich wollen Sie das nicht. Das
     Radio läuft. Dort die Turbulenzen, hier Stille. Dort Kolonnen stressgeplagter
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