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Die kleinen Freuden des Lebens

Die kleinen Freuden des Lebens

Titel: Die kleinen Freuden des Lebens
Autoren: Stefan Maiwald
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an den Abwasch denken. Wenn die
     Freunde in Italien daheim aufkreuzen, wird eine Pasta in den Topf geworfen, Tomatensauce dazu, und fertig. Auch hier gilt:
     Das Essen ist nur ein Katalysator, nicht die Hauptsache. Hierzulande muss man im lust- und genussvollen Essen und Trinken
     wohl nachholen, was man viele Jahrelang verpasst hat. Von mir aus. Aber warum nun plötzlich die Gastgeber groß aufkochen sollen, entzieht sich meinem Verständnis.
     Nervös kichernd, empfängt man die Freunde mit einem Glas Weißwein. Glück vortäuschend, wirbelt man am Herd und komplimentiert
     die Gäste ins Wohnzimmer, wo man eine halbe Stunde lang eingedeckt hat. Die Zwiebeln brennen unterdessen am Pfannenboden fest.
     Ach so: Das Salz ist alle, aber vielleicht sind die Schweißperlen, die einem dank immer stärker werdenden Panikattacken ins
     Essen tropfen, Würze genug. Der Ofen faucht, das angeblich so kinderleichte Rosmarin-Huhn verdorrt bei 270   Grad, dafür wird die Pasta schön weich; so weich, dass sie schon beim Anblick der kräftigen Sauce erschaudert und zerfällt.
    Die Souveränität, sich diesem Trend zu entziehen, die Autorität, »nein« zu sagen, das Wissen um die vereitelten Qualen des
     Für-Freunde-Kochens – »tut mir leid, ich koche nun mal nicht gerne«   –, dieses bewusste Einnehmen einer völlig exotischen Haltung beschert einem einen Moment der Selbstachtung und, dazu passend
     wie das Curry zur Wurst, das einhergehende Glücksgefühl.

In einem Elektrogroßhandel die Stereoanlage bis zum Anschlag austesten
    E in bisschen Spaß muss sein. Und wer mit Slogans wie »Geiz ist geil« oder »Ich bin doch nicht blöd« jeden denkenden Menschen
     beleidigt, der hat jedes Recht auf Verschonung verspielt.

Aus dem frischen Brotlaib eine Ecke herausbeißen
    M acht man als Kind gern, macht man als Erwachsener gern, wenn einem da auch die halb gespielte Entrüstung der Eltern abgeht.
     Natürlich muss das Brot noch warm sein.

Fußball im Park
    B ei Gott, wir sind Dilettanten. Doch jeden Mittwoch im Sommer versuchen wir erneut, uns unsterblich zu machen. Wir treffen
     uns im Münchner Westpark, so ab 18   Uhr, und einer bringt sogar gelbe Leibchen mit. Wir sind je nach Wetter zwischen zehn und zwanzig Mann und spielen auf Tore,
     die von den Haufen unserer Jacken, Rucksäcke und Büroschuhe begrenzt werden.
    Wir sind nicht gut. Einer von uns, ein angehender Tierarzt, ist für unsere Verhältnisse überragend, aber er schaffte es gerade
     einmal für ein Jahr in die Bezirksoberliga in Baden-Württemberg. Der Rest spielt, zurückhaltend ausgedrückt, auf gleichem
     Niveau, und das ist sehr gut so. Es ist, als wären wir alle sehr, sehr gute Fußballer und neutralisierten uns gegenseitig.
     Und trotz aller Unzulänglichkeiten passiert ja manchmal das Unglaubliche im Westpark: ein harter Schuss, der die Gesetze der
     Physik widerlegt; ein Kopfball aus zehn Metern, der den Weg durch ein paar Körper direkt ins Tor findet; ein Dribbling durch
     die gesamte Abwehr; eine perfekt getimte Grätsche (meine Spezialität). Das sind dann die Momente, für die man zwei Stunden
     lang keucht.
    Das Schönste aber ist: In Gestik und Mimik kann manein ebenso großer Fußballspieler sein wie ein Maradona, ein Platini, ein Beckenbauer. Die geballte Faust nach einem Tor. Das
     Abklatschen nach einer gelungenen Aktion. Der gehobene Daumen zu einem Mitspieler auf der anderen Seite des Feldes nach einem
     guten Pass, der nur knapp unerreichbar war. Der aufmunternde Klaps für einen Mitspieler nach dessen katastrophalem Eigentor.
     Das In-die-Knie-sinken nach einer versiebten Chance. Wir spielen durchaus mit Ehrgeiz und pflaumen uns sogar an, so wie es
     die echten Fußballer auch tun, und wir meinen es in diesem Moment genauso ernst wie sie.
    Oft kommen Osteuropäer hinzu, Kroaten, Bulgaren, Albaner und so weiter, und wollen mitspielen. Sie sind freundlich und fair
     und uns technisch haushoch überlegen, dribbeln uns aus und beherrschen den Ball besser als nahezu jeder deutsche Profifußballer,
     aber gewinnen tun immer wir. Die deutschen Tugenden, hier im Münchner Westpark kommen sie voll zur Geltung: geradliniges,
     schnörkelloses, effektives Toreknipsen, und wenn es schlecht läuft, hartes körperliches Einsteigen. Wer nicht an unterschiedliche
     Mentalitäten der Völker glaubt, der sollte mal in einer Großstadt Fußball im Park spielen. Da sieht er, was er aus politischen
     Gründen nicht glauben will. Als Faustregel gilt: Je
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