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Die kleinen Freuden des Lebens

Die kleinen Freuden des Lebens

Titel: Die kleinen Freuden des Lebens
Autoren: Stefan Maiwald
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geben, aber da ist noch etwas anderes. Nein, der Flirt mit einer Kellnerin – oder mit einem Barkeeper, um auch
     mal an die Leserinnen zu denken – hat etwas zutiefst Romantisches, denn wenn aus dem amourösen Spiel Ernst wird, verläuft
     alles grundsätzlich dramatisch und endet tragisch. Wenn man eine Kellnerin kriegt, dann verzehrt man sich vor Eifersucht,denn in ihrem Job wird sie pausenlos von zunehmend betrunkener werdenden Typen angequatscht und kriegt minütlich Telefonnummern
     zugesteckt. Wenn man sie nachts abholt, während sie in der hell erleuchteten und längst geschlossenen Gaststätte sitzt und
     mit ihren Kolleginnen noch was trinkt, ist sie halbtot vor Erschöpfung und hustet ein bisschen von der schlechten Luft.
    Wenn man sich aber nicht traut, sie anzusprechen, dann kann es mit jedem Tag zu spät sein. Kellnerinnen sind – wie die Schönheit
     selbst – eine flüchtige Erscheinung. Flatterhaft wie Schmetterlinge, wechseln Bedienungen die Bar, den Job, den Stadtteil,
     gehen zum Studieren nach Berlin oder als Au-Pair ins Ausland. Wenn man sich heimlich in seine Kellnerin verliebt hat, dann
     betritt man seine Stammkneipe jedes Mal mit einem mulmigen Gefühl. Wird sie noch da sein? Wird sie mir endlich sagen, das
     ich ihr Traummann bin? Die Stammkneipe zu betreten und seine Kellnerin zu entdecken, ist ein Glücksmoment. Und dieses wissende
     Lächeln, während sie einem die Karte bringt – ein schöner Augenblick. Jede gute Frau, sagte schon Harvey Keitel in ›Reservoir
     Dogs‹, muss einmal in ihrem Leben gekellnert haben. Und natürlich reden wir hier nicht von folkloristischen Oktoberfest-Bedienungen,
     die 12   Maß auf einmal schleppen können, oder von gescheiterten Schauspielschülerinnen in Hamburger Szene-Bars, die jede Bestellung
     als persönlichen Affront empfinden. Wir reden von denjenigen Frauen, die sich abends dieAusbildung oder das Studium finanzieren
     oder die einfach Geld verdienen müssen und das mit Leidenschaft tun. Kellnerinnen verdienen unseren Respekt, denn sie sind
     die Heldinnen der Großstadt.

»Rest ist für Sie«
    H abe
    ich zu meiner Zeit als Jeansverkäufer zweimal gehört. In zwei Jahren.

Nach einer Behandlung die Zahnarztpraxis verlassen
    E ine Frage ganz unter uns: Haben Sie schon einmal einen Zahnarzt erlebt, der das Werk seines Vorgängers lobte? Ich nicht.
     Ich gehe im Wechsel zu zwei Münchner Zahnärzten. Eine ist sehr hübsch, aber sie setzt mir arg zu. Ich glaube, dass sie mir
     statt Betäubungsmittel irgendein wässriges Placebo spritzt, um sich an meinen Schmerzen zu delektieren. Der andere ist nicht
     so hübsch, aber er hat ein tolles Wartezimmer mit einer richtigen kleinen Bibliothek, und in Amerika sagt man ja, die Qualität
     eines Arztes erkennt man an der Qualität der Zeitschriften im Wartezimmer. Bei der Hübschen liegen ›InStyle‹ und ›Men’s Health‹,
     bei dem Bibliothekar ›Geo‹ und ›National Geographic‹. Was in den Bücherregalen steht, habe ich noch nicht anschauen können,
     ich war immer zu nervös, um mich aus dem tiefen Sessel zu erheben. Ich hatte Angst, dass genau dann die Sprechstundenhilfe
     reinkommt und sagt: »Na prima, Sie stehen ja schon! Dann kommen Sie gleich mal mit. Der Doktor hat schon einen extra gemeinen,
     äußerst rumpeligen Bohrer für Sie warmlaufen lassen.«
    Jedenfalls gehe ich im Wechsel von ihr zu ihm, weil der jeweils andere immer das Werk seines Vorgängers verbessert. »Verbessert«,
     was für ein Euphemismus. Wir reden hier über Abschleifen, Nachbohren, Ausschaben. Schon diese grauenhaften Verben sorgen für
     anhaltendes Wurzelpochen. Dazu kommt, dass ich im Internet mal gelesen habe, ein Zahnarzt in den USA habe aus Versehen die
     Zunge einer Patientin durchbohrt und das Schmerzensgeld habe, ausgerechnet dort drüben, wo man doch für alles Millionen bekommt,
     nur 5000   Dollar betragen, und seitdem halte ich bei der Behandlung meine Zunge so weit zurück, dass ich mich fast selbst ersticke.
    Ich wäre so gern wie mein Onkel (leiblich) aus Argentinien. Der hat sich mal einen Backenzahn ohne Betäubung ziehen lassen,
     weil er »keine Lust auf dieses taube Gefühl« hatte. Der Zahnarzt sagte später, das habe er in dreißig Jahren Praxis noch nie
     erlebt. So ein Erlebnis würde ich gern meinen Zahnärzten vermitteln, aber ich bringe es nicht über mich. Immer wenn ich das
     Behandlungszimmer betrete, krähe ich: »Ich bin der Kunde! Ich verlange eine Betäubung, die einen
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