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Die kleinen Freuden des Lebens

Die kleinen Freuden des Lebens

Titel: Die kleinen Freuden des Lebens
Autoren: Stefan Maiwald
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Winter lässt mich vor Glück erschauern. Die frühe Dunkelheit: Was für eine wunderbare Zeit, ein
     Café oder ein Wirtshaus aufzusuchen und sich an zwischenmenschlicher Wärme zu erfreuen! Die bittere Kälte: Was für eine großartige
     Gelegenheit, sich kalorienreiche Nahrung reinzustopfen, »weil der Körper es um diese Zeit braucht«!
    Außerdem schärft der Winter die Sinne: Werke von weltverändernder Wirkung werden nicht im Sommer geschaffen, unter der dumpfen,
     gleichmacherischen Regentschaft der knallenden Sonne, sondern in der kristallinen Klarheit der Winterluft. Ein weiteres Argument
     für den Winter kommt von meinem Kollegen Max Goldt: Im Sommer, nur mit T-Shirt bekleidet, weiß man nie, wohin mit seinen Siebensachen. Im Winter kann man all sein Allerlei dagegen prima in tiefen Manteltaschen
     verstauen.
    Entschuldigung, aber sich auf das Frühjahr oder gar den Sommer zu freuen, das ist doch nun wirklich zu billig. Winterliebhaber
     und Schneecasanovas sind die wahren Esoteriker. Der Sommer ist wie Vanilleeis oder die Beatles – ihn mögen alle. Erst der
     Winter ist die Jahreszeit für Kenner. Und die Vorfreude auf ihn lässt den verregnetsten Sommer erträglich werden.

Einen Pokal gewinnen
    F rüher war ich in jeder Sportart durchschnittlich, und durchschnittlich ist schlimmer als schlecht. Die richtig Schlechten
     waren nämlich interessante Exoten, die großartig im Schach waren und in Mathe unsere Rettung, wenn wir in der Pause von ihnen
     die Hausaufgaben abschrieben. Sie hielten sich bei unseren lächerlichen pubertären Wettspielen abseits und dachten über interessante
     physikalische, chemische und biologische Probleme nach, die einst die Welt von Hunger und Leid erlösen könnten. Die Schlechten
     wussten, was sie nicht konnten. Sie akzeptierten ihre Grenzen, während durchschnittliche Sportler wie ich immer den Guten
     nacheifern wollten und daran verzweifelten. Meine koordinative Durchschnittlichkeit lag wohl daran, dass ich mich bis heute
     nicht entscheiden kann, ob ich nun Links- oder Rechtshänder bin, was dazu führt, dass ich mit keiner Seite so richtig auf
     der Höhe bin. Fußball spiele ich mit links, Tennis mit rechts. Einen Ball werfe ich mit links, einen Dartpfeil mit rechts.
     Mein Sprungbein ist das rechte, aber die Balance halte ich besser auf dem linken Bein. Ich schrieb einst mit links und brachte
     es mir in der Grundschule (ohne jeglichen äußeren Druck, wir waren schließ-
    lich in den toleranten Siebzigerjahren) selbst mit rechts bei. Heute schreibe ich mit rechts wie ein Linkshänder, also mit
     einwärts gedrehter Hand, obwohl es ja nichts zu verschmieren gibt.
    Golf ist die vielleicht einzige Sportart, bei der Beidhändigkeit von Vorteil ist – eine große Dominanz einer Körperseite kann
     zu verheerenden Schwungfehlern führen. Es gibt Linkshänder, die rechtsherum spielen und Rechtshänder, die linksherum spielen.
     Das bedeutet: Ich hatte meine Sportart gefunden. Und das bedeutet, dass ich bei meinem allerersten Turnier einen siebzig Zentimeter
     hohen Kristallpokal sowie einen Jahresskipass der gesamten Dolomitenregion gewonnen habe. Der Pokal ist so groß, dass es total
     peinlich wäre, ihn irgendwo sichtbar aufzubewahren, deswegen steht er in meinem Arbeitszimmer hinter der Tür. Und generell
     ist es ja unfassbar lächerlich, solchen Pseudo-Insignien Bedeutung beizumessen oder gar Stolz aus ihnen zu beziehen.
    Aber wenn ich die Tür aufmache, schaue ich mir den Pokal doch verdammt gerne an.

Die angenehme Betrunkenheit nach einer Weinprobe
    A usspucken ist schließlich respektlos.

Sich in eine Bedienung verknallen
    N ein, nichts Ernsthaftes – ich rede hier von einem harmlosen, kleinen Flirt. Wir Männer verlieben uns selten in Supermodels,
     dafür aber sehr, sehr oft in Kellnerinnen. Vielleicht ist das der wahre Grund dafür, dass Männer eine Stammkneipe haben. In
     die sie auch lieber allein als mit ihrer Freundin gehen.
    In meinem Stammlokal arbeitet zum Beispiel eine sehr hübsche und fröhliche Französin namens Marie-Lise, und während ich allein
     an meinem Tisch sitze und in einer welligen alten ›Gala‹ blättere, verknalle ich mich jedes Mal aufs Neue in sie. Es ist,
     wie gesagt, keine größere Sache, nur eine kleine Schwärmerei. Manchmal sehe ich uns Hand in Hand durch Saint-Germain streifen.
    Was fasziniert uns so sehr an diesem Berufsstand? Natürlich sind Bedienungen die ersten Frauen nach unseren Müttern, die uns
     zu trinken
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