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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
Autoren: Michael Tsokos
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von drei Zimmern nicht einmal Beleuchtung.
    Seine Mutter verschaffte ihm einen Job als Sortierer und Gabelstaplerfahrer auf dem Recyclinghof. Dort erwies sich Kevin als im Großen und Ganzen zuverlässig. Nebenher verübte er allerdings weiterhin Einbruchdiebstähle, wurde mehrfach erwischt und schließlich zu einer summarischen Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt, davon fünf Monate im offenen Vollzug.
    Die Haftzeit in Plötzensee war für ihn ein einziges Martyrium. Er war der Kleinste und Schwächste in der Gruppe und wurde unablässig drangsaliert. Er musste die Toiletten in der Gemeinschaftseinrichtung putzen und einen der Mitgefangenen »jeden Tag mehrere Stunden lang massieren«. Zumindest behielt er seine Stelle und konnte mit Beginn des offenen Vollzugs wieder im Recyclinghof arbeiten.
    Dem psychiatrischen Gutachter vertraut er zudem an, dass er niemals mehr als vier Stunden täglich schlafen würde. An seinen Kollegen oder sonstigen Mitmenschen habe er kein Interesse. Ganz selten nur würde er ein Bedürfnis nach Liebe und Zärtlichkeit empfinden. Dafür verachte er sich selbst, und dann sei es mit derlei Anwandlungen auch schnell wieder vorbei. Er brauche niemanden.
    Dr. Höller vermittelt sich das Bild eines jungen Mannes, der viele Stunden täglich mit Computerspielen verbringt, sich aber nicht für süchtig hält. Kevin ist demnach vollkommen klar, dass die Welt dieser Killerspiele und die Wirklichkeit nicht dasselbe sind. Genau deshalb spiele er ja bei jeder Gelegenheit Call of Duty, betont er. »Besser ich ballere diese Typen im Spiel ab als meinen Stiefvater in echt.«
    »Auch als ich Nadine totgemacht habe«, vertraut er Dr. Höller schließlich noch an, »wollte ich eigentlich meinen Alten killen. Meinen Stiefvater, das verdammte Schwein. Weil er mich immer verdroschen hat. Ich wollte nicht irgendwen umbringen – das hab ich zu den Polizisten nur so gesagt. Ich wollte meinen Stiefvater töten und hab mich nur mal wieder nicht getraut. Also hab ich stattdessen Nadine kaltgemacht.«
    Kevin Ferber leidet an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und dissozialen Zügen, schreibt Dr. Höller in seinem Gutachten. Diese manifestiert sich in einer durchgängigen emotionalen Kühle, der gering ausgeprägten und wenig differenzierten Affektivität, seiner misstrauischen Distanziertheit und seiner betont ausgeprägten Gleichgültigkeit gegenüber Bewertungen seiner Person durch die Umgebung. Jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit von Herrn Ferber zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Tat erheblich beeinträchtigt oder aufgehoben gewesen ist. Auch sei Ferber nicht schwachsinnig. Zwar weise er nur einen Gesamt-Intelligenzquotienten (IQ) von 71 auf, aber sein verbaler IQ von lediglich 66 erkläre sich mit herkunftsbedingten intellektuellen Entwicklungsrückständen. Sein Handlungs-IQ liege mit 81 im Normalbereich.
    Höchstwahrscheinlich ist der Gutachter der erste Mensch, mit dem Kevin Ferber jemals offen und ehrlich gesprochen hat. Schließlich räumt er auch die Vergewaltigung ein. Nur an die anale Vergewaltigung will er sich weiterhin nicht erinnern.

    Das Schwurgericht benötigt vier Verhandlungstage, um sich ein Urteil zu bilden. Die belastenden Verhältnisse, unter denen Kevin Ferber aufwuchs, werden ebenso wie sein Geständnis zugunsten des Angeklagten berücksichtigt.
    Vor Gericht liest Kevin Ferber einen Brief vor, in dem er sich mit unbeholfenen Worten entschuldigt: »Liebe Eltern von Nadine, es tut mir so leid, was ich gemacht habe.« Doch seine Reue kommt zu spät – für Nadine Gastrow sowieso, aber auch für ihn selbst.
    Kevin Ferber wird wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen in Tateinheit mit besonders schwerer Vergewaltigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht stellt außerdem die besondere Schwere der Schuld fest.
    Ausführlich begründet der Vorsitzende Richter, warum Kevin Ferber selbst bei günstiger Prognose nicht nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden darf: weil er heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen gemordet hat; weil er Nadine Gastrow mehrfach besonders schwer vergewaltigt hat; weil sich die Tat über einen Zeitraum von rund dreißig Minuten erstreckte, in dem das Opfer Todesangst erlitt.
    Nach dem Willen des Gerichts soll Kevin Ferber nie mehr auf freien Fuß kommen. Bei der Urteilsverkündung hört er so aufmerksam zu, als würde er zum ersten Mal in
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