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Die Klassefrau

Die Klassefrau

Titel: Die Klassefrau
Autoren: Martin Michelle
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Tatsache machte sich Mallory hemmungslos zunutze.
    Als sie am Mittwochmittag wieder in den Golden Gate Park ging, nahm sie sich fest vor, zu meditieren und nicht zu weinen, um die innere Kraft und den Mut zu finden, Peter ihre Liebe zu geben, solange sie noch die Gelegenheit dazu hatte. Sie wollte ihm ihre Liebe zeigen, nicht ihren Schmerz, ihre Furcht. Nur ihre Liebe.
    Schließlich kehrte sie in die Werkstatt zurück und konzentrierte sich auf den BMW 2002 auf ihrer Hebebühne und die Verbindung zwischen ihr und Peter, die ihr sagte, dass er immer noch am Leben war. Solange sie diese Realität spürte, konnte sie arbeiten und vor seiner Tür auf ihn warten, ohne eine Panikattacke zu bekommen, obwohl er an diesem Abend zwanzig Minuten zu spät kam.
    Sie kochten gemeinsam in seiner Küche und stießen immer wieder zusammen, nicht, weil sie so ungeschickt waren, sondern weil sie von dem unüberwindlichen Verlangen nach Berührung getrieben waren. Während des Essens saß Mallory ihm gegenüber und sog seinen Anblick in sich ein: wie das Kerzenlicht in seinen hellen Haarspitzen glitzerte, wie es die Konturen seines Gesichts abwechselnd in Licht und Schatten tauchte, wenn er lachte oder sich vorbeugte, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Sie liebte es, ihn beim Sprechen zu beobachten. Alles war da: seine Intelligenz, seine Intensität, sein Humor, sein Schmerz, seine Liebe. Er verbarg nichts vor ihr, entblößte stets sein Innerstes.
    Der Anblick seiner schmalen Hände, mit denen er sein Besteck hielt oder sie ausstreckte, um sie zu berühren, raubte ihr den Atem, da sie jedes Mal daran erinnert wurde, welches Feuer sie in ihr entfachten, wie sie dahinschmolz, wenn sie sich liebten. Sie genoss seine volle Stimme und sog sie mit jeder Faser ihres Körpers ein. Es spielte keine Rolle, was er sagte, allein seine Stimme genügte ihr.
    Nach dem Essen nahm sie seine Hand, versicherte ihm, dass der Abwasch warten konnte, und zog ihn ins Schlafzimmer. Er folgte ihr bereitwillig. Sie liebten sich stundenlang, ehe sie erschöpft einschliefen.
    Plötzlich sah sie Peter, der sich mit gezogener Pistole vorsichtig vorwärts schob. Er war bis zum Äußersten gespannt, ließ seine Augen wachsam über seine Umgebung schweifen. Überall um ihn herum waren Leute, die schrien und wegrannten, aber ihre Gesichter und Körper waren verschwommen. Nur Peter war deutlich zu sehen, nur das Entsetzen deutlich spürbar. Plötzlich knallten Schüsse. Sie konnte ihr ohrenbetäubendes Echo hören. Peters Körper zuckte, wirbelte herum und fiel dann wie in Zeitlupe zu Boden. Blut strömte auf die nachtblauen Fliesen.
    » Peter !«, schrie Mallory.
    »Schhh, Liebes, ist ja schon gut, ich bin hier«, murmelte Peter und wiegte sie in seinen Armen.
    Doch sie konnte nicht aufhören zu zittern.
    »Ein schlechter Traum?«, fragte Peter leise.
    Mallory brachte kein Wort heraus.
    »Atme tief durch«, sagte Peter sanft. »Leg den bösen Traum in eine Rose und schicke sie hinauf zur Sonne.«
    Sie zwang sich, zu nicken und spürte, wie er allmählich einschlief. Sie lag mit weit aufgerissenen Augen da und starrte in die Dunkelheit, die langsam vom Grau der Morgendämmerung vertrieben wurde.
    Heute. Heute würde er sterben.
    Von Kummer überwältigt presste sie sich an ihn und unterdrückte mit aller Kraft die Tränen, als sie spürte, wie sich seine Arme instinktiv um sie schlossen.
    Sie rührte sich nicht einmal, als der Wecker eine Stunde später klingelte.
    »Verdammt«, brummte Peter und verpasste dem Wecker einen Schlag. »Ich hatte so einen schönen Traum. Er handelte von einem englischen Schäferhund, der wie wild in deinen Blumenbeeten wühlte. Magst du englische Schäferhunde?«
    »Nicht, wenn sie meine Blumenbeete verwüsten«, antwortete Mallory, deren Kehle wie zugeschnürt war.
    Peter lachte, küsste sie und machte Anstalten aufzustehen. »Die Pflicht ruft.«
    »Peter, geh nicht, bitte!«, stieß sie hervor
    »Tut mir Leid, Liebes«, sagte Peter und küsste sie auf die Stirn. »Ich würde nur zu gern bleiben, aber ich muss zur Arbeit.«
    »Nein, Peter, nicht heute«, beharrte Mallory und umklammerte seinen Arm.
    »Was ist los?«, fragte er leise.
    »Ich habe eine schreckliche Ahnung, Peter«, flüsterte sie kaum hörbar. »Heute passiert es. Heute wirst du erschossen.«
    »Nein«, sagte er sanft, »das wird nicht passieren.«
    »Peter -«
    Er legte die Hand an ihre Wange. »Mallory, ich vertraue ja deinen Vorahnungen, aber meinen eigenen vertraue
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