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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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seltsamer Nebel über der Welt liegen, der immer nur einen Teil preisgab.
    Siggi ging vorsichtig einen Schritt auf die Dünen zu, und es schien ihm, als weiche damit auch das Grau des Traumnebels einen Schritt zurück. Und mit jedem neuen Schritt bewahrheitete sich seine Vermutung; jeder Meter enthüllte ein wenig mehr an Sicht. Als er die Höhe der Dünen erklommen hatte, konnte er ein gutes Stück weit über eine Ebene blicken, welche von einem Gras bewachsen war, dessen Grün so satt wirkte, als wäre jeder Halm eigens angestrichen worden. Siggi kannte nichts Vergleichbares, und dabei wohnte er auf dem Lande, wo es keinesfalls nur Beton gab, sondern jede Menge Natur.
    Ein Stück die Düne entlang, kurz bevor der Abhang zum Meer begann, glomm ein Funke aus dem fahlgrauen, verwaschenen Nebel seines Traums. Das Licht flackerte. Siggi machte ein paar Schritte auf das Leuchten zu.
    Aus dem Nebel schälte sich nach und nach ein Feuer heraus. Siggi wurde neugierig. Welche Überraschung mochte sein Traum für ihn bereit halten. Je näher er der Lichtquelle kam, desto deutlicher erkannte er nicht nur die brennenden Scheite eines kleinen Lagerfeuers, sondern auch die Umrisse eines Menschen.
    Zunächst war die Gestalt verschwommen, und Siggi konnte nichts erkennen außer dem Schemen, aber dann gewannen die Umrisse an Kontur.
    Es war ein Riese, überlebensgroß; nein, doch nicht, der Nebel ließ ihn nur größer wirken. Tatsächlich dürfte Siggi selbst, obwohl er erst fünfzehn war, den Mann am Feuer sicher um Haupteslänge überragen, wenn man den Kopfputz abrechnete. Der Fremde trug eine merkwürdige Haube, aus Vogelfedern gemacht: von Möwen, Eichelhähern, Raben, Gänsen und anderen Federtieren, die Siggi nicht kannte.
    Ein Indianer? Aber nein, das war kein Indianer, denn er war nicht in das weiche Leder der Prärieindianer gekleidet, wie Siggi dies aus Büchern kannte, sondern mit einer Vielzahl von Pelzen behangen. Ein seltsamer Aufzug. Siggi konnte nicht ausmachen, wie die Kleidung des alten Mannes geschnitten war. Es waren lange zottelige Tierfelle; es mochte sogar ein Schaf dazwischen sein. Etwas Braunes von Reh oder Hirsch konnte er auch erkennen. Alles kunterbunt durcheinander.
    Fasziniert näherte sich Siggi. Mit jedem Schritt konnte er jetzt weitere Einzelheiten erkennen. Das Haar, das zwischen den Federn hervorblitzte und dem Fremden bis auf die Schulter reichte, war pechschwarz. Seine Gesichtshaut war von der Sonne verbrannt und wirkte fast wie gegerbtes Leder. Siggi drängten sich wieder Bilder von Indianern auf, die er mit solch wettergegerbten, braunen Gesichtern gesehen hatte, aber die Augen und die Nase passten nicht dazu.
    Was Siggi etwas verstörte, war, dass er nicht hätte sagen können, ob der Mann am Feuer uralt oder jung war. Er hatte eine Haltung und eine Spannkraft, die an einen Sportler erinnerte. Aber dann war da das Gesicht. Es wirkte so, als hätte es mehr als nur ein Jahrhundert erblickt, als würde es seit Anbeginn der Welt die Sonne auf- und untergehen sehen. Das lag an den Augen. Die Pupillen waren fast schwarz; aber der Ausdruck darin ließ Siggi glauben, Jahrtausende spiegelten sich darin. Freud und Leid ganzer Völker hatten in diesem Augenpaar ihre Spuren hinterlassen, als hätte der Fremde dies alles erlebt, wäre dabei gewesen, als sich Völker erhoben hatten und vergangen waren. Nur schwer konnte sich Siggi von dem dunklen Blick des dunklen Mannes lösen.
    Über dem Feuer drehte sich an einem Spieß ein Stück Fleisch. Der Junge vermochte nicht zu sagen, ob es von einem Vogel oder einem anderen Tier stammte. Der Geruch stieg ihm nicht in die Nase; aber in Träumen konnte man nicht riechen, hatte ihm sein Vater mal erklärt.
    Fett troff in großen Tropfen aus dem Fleisch und verdampfte zischend beim Auftreffen auf die brennenden Holzscheite. Siggi sah es ganz deutlich, als würde das Fett in Zeitlupe heruntertropfen und dann von der übergroßen Hitze in feinen Rauch aufgelöst werden.
    Der Mann sah Siggi an und sagte etwas. Dabei deutete er auf das Fleisch und hielt Siggi ein Messer hin, wobei er die Klinge in der Hand hielt und ihm den Griff darbot.
    Siggi verstand zwar nichts von dem, was der Mann zu ihm sagte. Die Sprache ließ sich mit nichts vergleichen, was er schon mal gehört hatte. Englisch war es in keinem Fall, Deutsch und seine Dialekte von der Küste bis zu den Bergen nicht, aber es klang auch nicht wie Spanisch oder Französisch. Doch aus der Geste des Mannes konnte
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