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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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aber es kümmerte sie auch nicht. Sie hätte ewig so weitergehen können, in jenem dunklen Wald zwischen den Welten, begleitet von dem hellen Schatten, der neben ihr ging.
    Irgendwann blieb das Einhorn stehen. Gunhild wusste, was das bedeutete.
    »Leb wohl«, sagte sie. »Ich werde dich nie vergessen. Ich werde nie wieder jemanden finden, der so schön und liebenswert ist wie du.« Das Einhorn warf den Kopf zurück; seine Mähne funkelte, sein Horn blitzte. »Ach, lach mich nicht aus«, meinte sie, selbst lachend und weinend zugleich. »Ich geh ja schon …«
    Mit Tränen in den Augen ging sie weiter, warf keinen Blick mehr zurück. Zurückzuschauen und zu sehen, dass das Einhorn nicht mehr da war, das hätte ihr das Herz gebrochen. So würde es immer bei ihr bleiben, bis in alle Ewigkeit.
    Der Weg stieg hier an. Es war jetzt stockfinster unter den Bäumen. Ein hellerer Streifen voraus zeigte ihr den Weg. Gunhild hielt darauf zu. Schon bevor sie ihn erreichte, sah sie die Gruppe von Eiben auf der anderen Seite der Straße, ineinander geschmiegt wie drei Schwestern; sah die Lichter, die zwischen den Zweigen hindurchschimmerten, und hörte die Stimmen derjenigen herüberdringen, die nach ihr suchten.



Epilog
    Hagen wischte sich die Hände an den dreckverschmierten Jeans ab und blickte prüfend zu dem steinernen Bogen des großen Fensters empor. Der Schlussstein war die schwierigste Arbeit gewesen. Er hatte ihn aus einem einzigen Stück gehauen, mit Hammer und Meißel, wie die Steinmetzen von einst. Die Stelle, wo die beiden Profile zusammentrafen, schmückte ein gemeißeltes Blatt. Wenn man es von hier aus betrachtete, glaubte man, ein Gesicht darin zu erkennen. Aber das war nicht wichtig. Wichtig war, dass der Stein genau passte. So, wie es sein sollte.
    »Hagen?«
    Er wandte sich nicht gleich um, als er die Stimme hörte. Eine helle, weibliche Stimme.
    »Ich bin hier!«, sagte er.
    Sie kam um die hoch aufragende Altarwand herum, in knappen Jeans, einem kurzen Top, das einen Streifen gebräunten Bauch frei ließ. Ein blonder Zopf wippte über ihre Schulter.
    »Hallo, Hagen. Man hat mir gesagt, dass du hier arbeitest.« Sie wandte den Blick hoch zu dem frisch gemauerten Bogen. »Hast du das gemacht?«
    »Ja. Es ist bald fertig. Nur das Dach fehlt noch.«
    Zwischen ihnen entstand ein Augenblick unbehaglichen Schweigens. Dann fragte Gunhild: »Warum hast du mir nie auf meine Briefe geantwortet?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich musste erst einmal mit ein paar Dingen ins Reine kommen. Mit mir selbst, wenn du verstehst …«
    »Aber du hast mich nicht vergessen, oder?«, sagte sie dann, und etwas wie Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit. »Du erinnerst dich noch?«
    Er grinste. »An den Sommer im Odenwald, meinst du? Und die wunderschöne Zeit in Irland? Wo wir beide …« Er führte den Satz nicht zu Ende, aber er sah, dass sie errötete.
    »Nein, das meine ich nicht. An unsere Träume. Die Träume von einer anderen Welt.«
    Er zuckte die Achseln. »Träume sind schön. Aber ich muss jetzt sehen, wie es weitergeht.«
    »Und was willst du machen?«
    »Vielleicht zur See fahren, wie mein Vater es von mir wollte. Ich war eigentlich immer dagegen, aber mittlerweile erscheint es mir als gar keine so schlechte Idee.« Er sah sie an. »Würdest du auf mich warten?«
    »Als Seemannsbraut?« Sie lachte. »Immer. So lange du willst. Komm her!«
    Sie nahm ihn in die Arme, und er küsste sie.
    »He, hört auf zu turteln!«, rief es von der anderen Seite der Altarwand her. Eine Gestalt in Jeans und Parka hüpfte mit schlaksigen Beinen über die Zementsäcke. Ein blonder Schopf wippte. »Mensch, ist das toll hier! Wie bei König Arthur. Hast du das alles hergerichtet, Hagen?«
    »Hi, Siggi«, begrüßte ihn Hagen. »Ich gebe mir Mühe, aber es ist viel Arbeit.«
    Siggi kam um die Altarwand herum. »Ups! Ein Stein mit einer Inschrift«, stellte er fest. »Den hast du mir das letzte Mal gar nicht gezeigt. Ist das Latein? Aber kein Schwert drin zum Rausziehen. Schade.« Er grinste.
    Hagen grinste zurück. »Das ist irgendwann mal geklaut worden. Wie auch der Kelch in der Ausstellung, unser bestes Stück. Ist aber nicht schade drum. Das Schwert war sowieso nur eine Attrappe, total verrostet.«
    »Dem ließe sich vielleicht abhelfen«, sagte da eine Stimme von jenseits des Torbogens. Ein alter Mann stand dort. Sein Gesicht war ledrig, gegerbt von Wind und Wetter, sein Bart schütter und grau. Auf dem Kopf trug er einen Schlapphut, den er
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