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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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Annwn«, gab Hagen ebenso leise zurück, »aber …« Er runzelte die Stirn.
    »… aber ich dachte, Arawn der Jäger sei tot«, vollendete Siggi. Er trat einen Schritt vor und hob sein Schwert: »Lass uns durch! Wir haben die vier Schätze der Anderswelt bei uns. Dagegen hast du keine Macht, Hund von Annwn!«
    »Tapfere Worte«, raunte die Stimme. »Aber haben wir nicht eine Vereinbarung getroffen? Du schuldest mir etwas, weißt du nicht mehr? Wenn wir uns wieder begegnen, habe ich den ersten Schlag.«
    Siggi zögerte einen Augenblick lang. Die grüne Gestalt bemerkte sein Zaudern, denn sie fuhr fort:
    »Wenn du ein Held sein willst, dann beweise es. Denn dies ist eine Tat, die wahrhaft Mut erfordert. Gib mir dein Schwert.«
    »Das ist ein Trick«, zischte Hagen. »Und irgendetwas stimmt hier nicht. Ich weiß es. Ich spüre es …«
    »Du brauchst überhaupt nichts zu beweisen, Siggi«, flüsterte Gunhild auf der anderen Seite. »Weder ihm noch uns, noch dir selbst …«
    Doch Siggi hatte seinen Entschluss bereits gefasst.
    »Wir haben keine Vereinbarung«, sagte er fest, mit lauter Stimme. »Du lügst, und deine ganze Veranstaltung hier ist ein Schwindel. Und wenn du jetzt nicht freiwillig Platz machst, dann werden wir dich zwingen.« Er warf einen Blick zu Hagen hinüber; es war ein Verstehen ohne Worte. »Auf ihn mit Gebrüll!«
    Das Schwert gezückt, den Speer hoch erhoben, stürzten sie sich auf den Feind.
    Sie erreichten ihn nie.
    Der Grüne Mann verwandelte sich. Die Zweige und Blätter, die seiner Gestalt vage Umrisse gegeben hatten, drehten und verwoben sich ineinander, bis sie sich zu fester Form verbanden. Gleichzeitig veränderte sich seine Farbe. Das Grün wurde zu Braun, zu Gold und Silber.
    Mit dem Wandel, der sich vollzog, schwand der Schatten, der die Gestalt erfüllte. Licht ging von ihr aus, das den ganzen Raum durchdrang. Und mit dem Licht, das die große Halle erhellte, zogen die Hunde der Nacht sich zurück, in die Nischen und Winkel, hinter Säulen und Podeste. Bis in die Ritzen zwischen den Steinen drang das Licht und verbannte die Geschöpfe der Finsternis, und am Ende war nichts mehr von ihnen geblieben, nicht der leiseste Schatten, sondern alles war erfüllt von Licht.
    Er, der in der Mitte des Raumes zurückblieb, hatte die Gestalt eines jungen Mannes. Er war dunkelhaarig, in Grau gekleidet und gerüstet wie ein Krieger, doch er trug keine Waffe. Seine leicht schräg gestellten, mandelförmigen Augen blitzten. In allem sonst glich er einem gewöhnlichen Sterblichen, wenn er auch größer war und seine fein geschnittenen Züge von einem Ebenmaß, wie kein Mensch es je besessen hatte. Wären da nicht die Hörner gewesen, ein Geweih, das seine Stirn krönte.
    Siggi stand der Mund offen vor Staunen. »Wer bist du?«, brachte er schließlich hervor.
    Der Gehörnte lachte. »Frag deinen Freund, frag deine Schwester. Kennt ihr mich nicht?«
    Gunhild war hinzugetreten. »Bist du es wirklich? Derselbe wie damals? Aber …«
    »… damals hast du anders ausgesehen, nicht mit diesem … diesem Kopfschmuck, meine ich.«
    »Ich bin immer derselbe und doch anders. Ich bin der Hirsch, der den Jäger erschlug. Ich bin der Hund und zugleich die Beute. Herr von Prydain bin ich und Herr von Annwn, Meister des Lichts und der Dunkelheit. Doch vor allem anderen bin ich Llew Llaw Gyffes, der Löwe mit der sicheren Hand.«
    Hagen atmete tief aus. »Dann ist das hier dein Speer«, sagte er und hielt ihm den grünen Schaft mit der silbernen Spitze hin.
    »Moment!«, rief Siggi. »Du willst ihm den Speer freiwillig geben? Nachdem du mir gerade noch gesagt hast, ich sollte nicht auf seine Tricks reinfallen?«
    Llew sah ihn lächelnd an; in seinen Augen blitzte ein amüsiertes Funkeln. »Manchmal muss man auch etwas loslassen, um es zu gewinnen. Auch du wirst das noch begreifen, junger Held.« Seine Hand schloss sich um den grünen Schaft im gleichen Augenblick, als Hagen seinen Griff löste. »Es ist mein Speer, und er wird es immer sein«
    »Er war nur geliehen, verstehst du?«, sagte Hagen, zu Siggi gewandt. Und dann, zu dem jungen, grau gewandeten Gott: »Jetzt begreife ich so manches. Du hast den Kelch in die Anderswelt zurückgeholt. Du hast uns gerufen. Du hast mir den Speer überlassen, damit die vier heiligen Schätze an jenem Ort zusammengeführt werden konnten, wo der wahre Gral wieder erscheinen würde.«
    »Der Gral!«, rief Gunhild aus. »Wir müssen ihn zu dem schlafenden König bringen. Nicht, dass es
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