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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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Stimme, und er spürte Hagens Hand auf seiner Schulter; denn die beiden sahen Siggi an, wie sehr er unter dem verzögerten Schock litt.
    »Ich wollte das nicht …«, sagte er hilflos.
    »Du hast mir das Leben gerettet. Ich bin dir unendlich dankbar, dass du ihn getötet hast«, sagte Hagen und sah ihn ernst an. »Ohne dich würde ich jetzt mit gespaltenem Schädel daliegen. Und dich und Gunhild hätte er wahrscheinlich auch umgebracht.«
    »Das ist wahr«, stand ihm Gunhild bei.
    »Aber ich wollte ihn trotzdem nicht töten«, meinte Siggi. »Ich wollte ihn nur aufhalten.«
    »Das wissen wir«, sagte Gunhild, »aber es ist nun mal passiert. Hoffen wir alle, dass wir nicht noch mal in so eine Situation geraten …«
    Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Jeder hing seinen Gedanken nach, und so gut es ging, versuchten sie, den Weg zu sichern. Immer wieder hörten sie Schreie und Schlachtlärm, was ihre düstere Stimmung noch verstärkte.
    Je näher sie dem Schlachtfeld kamen, umso deutlicher wurden die Spuren von Tod und Zerstörung. Zerbrochene Waffen, Tote, Blutspuren waren ihre Wegbegleiter. Keiner von ihnen wollte sehen, wie es erst auf dem Schlachtfeld aussah.
    Es tut mir Leid, aber ich kann euch den Weg über den Kampfplatz nicht ersparen, klang in Gunhild die Stimme der Göttin auf. Aber es ist der einzige Weg, wo ihr nicht irgendwann auf Fallen stoßt.
    Gunhild schauderte bei dem Gedanken an den Weg, den sie nur dank Laurions kluger Führung und viel, viel Glück, sowie der Hilfe des armen Yngwe und der anderen Lios-alfar überstanden hatten. Solch eine Hilfe hatten sie nun nicht mehr.
    »Wir können nicht anders, wir müssen über das Schlachtfeld«, ließ Gunhild die Jungen wissen. »Die Göttin hat gerade zu mir gesprochen.«
    »Shit!«, fluchte Hagen.
    Siggi schwieg. »Der Ring«, sagte er schließlich. »Wir müssen versuchen, uns im Schutz des Ringes über den Kampfplatz zu mogeln.«
    Hagen und Gunhild nickten. Etwas anderes blieb ihnen nicht übrig. Sie tappten vorsichtig durch die Gänge, in denen zeitweise der gewaltige Kampf der Völker der Anderswelt getobt haben musste. Überall lagen zerhauene Waffen und Schilde, die Toten wurden immer mehr. Von Zeit zu Zeit stöhnten Verwundete.
    Es war entsetzlich, und die Kinder versuchten, möglichst nicht hinzusehen, aber manchmal ließ es sich nicht vermeiden.
    In einer Ecke fanden sie Widar und Wali, zwei ihrer Begleiter auf dem Weg durch die Verliese der Erde. Sie waren Rücken an Rücken gestorben, hatten sich bis zum Tode gegenseitig Schutz gegeben. Modi und Magni lagen ein Stück weiter. Dem einen war der Kopf durch einen Axthieb beinahe abgetrennt worden. Der andere war noch bis in eine Nische gekrochen und hatte sich dort zum Sterben hingelegt, die Hände vor dem gekrümmten Leib verkrampft.
    Gunhild würgte, und auch Siggi konnte es gerade noch verhindern, sich zu übergeben. Blut lag in der Luft und machte das Atmen beinahe schwerer als die Hitze Muspelheims. Es stank höllisch; der Geruch von Tod und Vernichtung war fast mehr, als die Kinder ertragen konnten, aber sie hatten viel erlebt, und Freya schien ihnen eine Hilfe zu sein. Über einen Teil ihres Bewusstsein senkte sich ein Schleier, der die schlimmsten Einzelheiten vor ihrem Auge verbarg. Aber was übrig blieb, war schlimm genug.
    Mehr kann ich nicht für euch tun, der Zauber schwindet dahin, vernahm Gunhild wieder die Stimme Freyas.
    Dann standen sie an einem der Tore zu dem gigantischen Kampfplatz. Siggi erkannte den Ort wieder. Es war – wie hatte Laurion ihn noch genannt – Alberichs Dom, wo Siggi auf der Flucht vor den Schwarzalben entdeckt hatte, dass ihn der Ring unsichtbar zu machen vermochte.
    Ein Blick auf das Schlachtfeld ließ sie erschauern. Längst hatten die Heere ihre Reihen und Aufstellungen aufgegeben. Es tobte nur noch der Kampf Mann gegen Mann.
    Überall im Dom lagen Tote und Todgeweihte. Diesen Kampf würde keiner überstehen.
    »Also gut. Wir müssen da durch. Dann kommt«, sagte Siggi, »Fasst mich an der Schulter, und lasst auf keinen Fall los.«
    Als er die Hände der beiden auf den Schultern spürte, griff er in den Lederbeutel und zog den Ring hervor. Noch einmal betrachtete er kurz den schmucklosen Goldreif und streifte ihn über. Dann ging er los.
    Siggi bemühte sich, den Leibern der Toten auszuweichen, aber es gab so viele davon, viel zu viele. Sie hatten etwa hundert Meter in Luftlinie zurückzulegen, aber in Wahrheit war es eine größere Strecke; denn
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