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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67
Autoren: Lisa Tetzner
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Wohnung im Haus Nummer 67, und noch dazu Ihre alte.«
     
    Paul sprang mit einem Satz auf beide Beine. Er zitterte vor Erregung. Die Tanzenden hörten auf zu tanzen. Der Chauffeur Biedermann stellte jäh das Radio ab. Frau Richter umarmte ihren Mann. »Vater!« rief sie, »Vater! Was sagste dazu? Wir kommen wieder in unsre alte, liebe Bude.«
     
    Dann umarmten sie alle Nachbarn, und die Männer schüttelten Herrn Richter die Hände.
     
    »Hinfort können wir also wieder am Abend miteinander unsern Skat klopfen«, riefen sie lachend.
     
    Erwin schlug Paul so kräftig auf die Schultern, daß dieser fast in die Knie knickte. »Mensch, Pauliken, det ging noch mal gut ab.« Mehr sagte er nicht.
     
    Paul nickte noch immer unaufhörlich mit dem Kopf, und die langen blonden Haarsträhnen tanzten über seinem blauroten Muttermal. »Ja, ich hab' Glück gehabt, tolles Glück. Wie gut, daß ich vorher so stark geschüttelt habe. Sonst säß' ich jetzt vielleicht mit einem Blumentopf auf der Schwelle.«
     
    Da prustete Mirjam hinter der vorgehaltenen Hand, und auch die andern konnten nicht länger schweigen. Sie freuten sich viel zu sehr und mußten Paul alles erzählen, aber auch alles von Anfang an.
     
    Paul wurde nicht recht klug daraus, weil sie zu sehr durcheinander schrien. Doch als er endlich alles begriffen hatte, freute er sich nur um so mehr.
     
    »Schmuh habt ihr also machen wollen? Schmuh und Betrug meinetwegen. Doch ich habe ganz allein und ganz richtig und wirklich gewonnen.« Dabei machte er noch einmal genau vor, wie sehr er geschüttelt hatte. »So hoch sind die Lose dabei gehüpft«, versicherte er und zeigte mit der Hand die Höhe an.
     
    Frau Richter lief jubelnd mit ihrem Mann in die Wohnung. Sie sprang wie eine ganz Junge die Treppen hinauf.
     
    Die Zimmer lagen voll Papier und Schmutz.
     
    »Det krieg ich schon wieder sauber«, lachte sie und rief in den Hof: »Paulchen, Paule, kiek doch mal und komm rauf.«
     
    Paul stand noch immer von seinen Freunden umringt und winkte. »Wie Muttern da oben aus dem Fenster schaut, det is schon ganz wieder wie früher. Beinahe noch ein bißchen schöner.«
     
    »Viel schöner«, sagte Erwin, und weil die Musik nochmals einsetzte, packte er Paulchen und hüpfte tanzend mit ihm durch den Hof.
     
    Raketen stiegen und Frösche und Kracher knallten.
     
    »Die Kasse«, schrie Erwin, »jetzt endlich die Kassen.« Er ließ Paul los. »Wir müssen doch noch die Kassen leeren.«
     
    Alle Blechkästen und Zigarrenkästen wurden zusammengeholt und auf die leeren Tische gestellt. Vater Brackmann, der Portier und Frau Manasse bildeten das Prüfungskomitee. Zwischen ihnen saßen Erwin, Heiner und Mirjam. Die andern vom Kinderkomitee bildeten die Absperrung.
     
    Nickel und Münzen kullerten heraus und wurden sorgfältig gezählt.
     
    »Wechsle ich Ihnen alles ein«, versicherte der Bäcker Hennig, der auch dabeistand. »Ich bin froh über jedes Kleingeld.«
     
    Vater Brackmann und Frau Manasse zählten halblaut, und alle warteten schweigend und gespannt. Schließlich rief Vater Brackmann: »Der Reinertrag des Maskenballs ergab 346 Mark und 78 Pfennige. Das ist ein guter Anfang.«
     
    Alle riefen: »Bravo.«
     
    Dann stand Vater Brackmann auf und klopfte mit einem Bleistift auf den Tisch.
     
    »Er will reden«, riefen die Umstehenden und traten einige Schritte beiseite, damit alle ihn sehen konnten.
     
    »Mitbewohner, Hausgenossen«, begann er. »Der Dank für diesen Maskenball gehört unsern Kindern. Es leben unsere Kinder!«
     
    Alle schrien: »Hoch, hoch, hoch sollen sie leben.«
     
    Der Steinsetzer, der neben Emil stand, hob diesen hoch. Ein anderer packte Mirjam, der dritte wollte Erwin fassen. Er wehrte sich aber. Dann tanzten alle noch einmal mit den Kindern durch den Hof, und der Chauffeur Biedermann stellte abermals das Radio ein.
     
    »Es regnet«, rief plötzlich eine Stimme. »Es regnet!«
     
    Alle schauten zum Himmel. Kein Stern war mehr zu sehen, und auch der Mond war verschwunden. Unmerklich hatte sich der Himmel überzogen. Niemand hatte es bemerkt. Dicke, schwere Tropfen klatschten auf den Hof nieder.
     
    Es regnete also wieder.
     
    Herr Biedermann nahm schnell sein Radio herein.
     
    Andere packten die Grammophone zusammen. Stühle wurden ins Haus zurückgebracht. Jeder eilte in seine Wohnung, um die Maskenkostüme nicht zu verderben.
     
    Sie riefen sich aus den Fenstern gegenseitig »Gute Nacht« zu. Türen wurden verschlossen und Lichter
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