Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67
Autoren: Lisa Tetzner
Vom Netzwerk:
kosteten einen hohen Eintritt. Wer den nicht zahlen wollte, mußte in die oberen Etagen hinaufgehen. Von oben aus war natürlich alles nicht so gut zu erkennen. Deshalb wollten die meisten Logen haben, und die Bewohner im Erdgeschoß kassierten die Gelder für die Mieterkasse ein.
     
    Heiner brachte als erstes einen Teppich und breitete ihn im Hof aus. Ein erwartungsvolles Gemurmel setzte ein. Andere trugen aus der Wohnung des Zauberers chinesische Vasen, Wände, Töpfe und Schachteln herbei. Das ganze Zaubergerät wurde auf dem Teppich ausgebreitet.
     
    Dann ertönte Musik aus dem zweiten Hof. Das war der Stehgeiger aus dem Kaffeehaus. Er spielte zur Einleitung eine traurige, geheimnisvolle Musik, die alle zum Verstummen brachte.
     
    Der Stehgeiger war noch ein junger Mann. Er ging in einem schwarzen Anzug mit weißer Hemdbrust geigend durch den Hof. Dabei bog er seinen Körper geschmeidig nach allen Seiten, je nach der Melodie. Ein sonderbarer Zug folgte.
     
    Voran gingen Mirjam und Lotte. Sie trugen lange lila Kleider und hielten die Arme auf der Brust verschränkt. Sie sahen sehr feierlich aus und schauten keinen an. Gleich nach ihnen kamen der Zauberer und die andern der Truppe. Der Zauberer trug jetzt einen hohen weißen Turban auf dem Kopf. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit bemalt und die dicken schwarzen Augenbrauen waren weiß gepudert. Auch er trug einen langen lila Rock und hielt ebenfalls die Arme verschränkt. Das schien dazu zu gehören, denn Paul und Erwin, die rechts und links von ihm gingen, hatten die gleiche Haltung. Als letzter folgte Emil. Ihm konnte man sofort ansehen, daß er große Mühe hatte, so ernst dreinzuschauen. Um seine Mundwinkel zuckte es. Er kniff die Augen zusammen und blinzelte den Nachbarn heimlich zu. Ganz zuallerletzt aber tänzelte Piddel. Und er machte es eigentlich am großartigsten. Dazu wedelte er vor lauter Vergnügen mit seinem Schwanz, an den eine gelbe Blume gebunden war, auf die er sehr stolz zu sein schien.
     
    Mirjam und Lotte knieten schon auf dem Teppich.
     
    Erwin und Paul stellten sich vor die chinesischen Wände, und der Zauberer verneigte sich nach allen Seiten. Dann breitete er seine Arme weit aus, und Emil kroch unter sein Gewand. Es war sehr gut zu sehen, wie der Mann mit Emil unter dem Rock dick und rund wurde. Seine Figur zeichnete sich deutlich ab.
     
    In dem Augenblick fing der Stehgeiger wieder zu spielen an, unter dem Torbogen flammte Rotfeuer auf, und die Truppe wurde wundervoll beleuchtet. Aber jetzt war Emil, das konnten alle sehen, verschwunden. Der Zauberer, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte, war wieder so schlank und mager wie zuvor. Er beklopfte sich von allen Seiten, hob seinen Rock hoch, sah sich um, trampelte mit seinen Füßen auf dem Teppich herum. Mirjam und Lotte mußten den Teppich hochheben und zeigen, daß Emil auch nicht darunter steckte. Erwin und Paul kehrten die chinesischen Vasen um, die Wände. Es durften sogar zwei Zuschauer nähertreten, um Emil zu suchen.
     
    Er blieb verschwunden.
     
    »Jotte nein«, rief es aus dem Fenster. »Wo is er denn?« Das war Emils Mutter.
     
    Aber während das Rotfeuer in Grünfeuer wechselte, hob der Zauberer zum zweitenmal seine Arme gen Himmel, faltete die Hände über dem Kopf, murmelte einen geheimnisvollen Zauberspruch, und dabei wurde er wieder rund und dick. Gleich darauf griff er unter sein Gewand und holte Emil wie ein zappelndes Kaninchen unter dem Rock hervor.
     
    Emil verneigte sich, hüpfte von einem Bein auf das andere und warf neckische Kußhände nach allen Seiten. Das hatte er sich als besondere Überraschung ausgedacht.
     
    Da klatschten alle wie wild und riefen: »Jroßartig, tadellos, allerhand!«
     
    Die Frauen machten »Ah!« und »Oh!«
     
    Aber schon ging es weiter. Jetzt folgte das Kunststück mit den zerschnittenen Bändern. Mirjam blieb es auch später noch unerklärlich, wie der Zauberer das machte, denn sie bekam doch jedesmal die einzelnen Teile zu halten und sah genau zu, wie er die Bänder zerschnitt, steckte sie selbst in ihre Tasche und zum Schluß zog sie stets die unzerschnittenen Bänder aus der Tasche.
     
    Der Zauberer jonglierte mit Kugeln, dabei mußten ihm die Kinder die Kugeln und Bälle von allen Seiten zuwerfen. Sogar Piddel mußte bei dieser Nummer helfen. Auch er bekam eine Kugel auf die Nase gelegt. Dann aber kam Erwins große Nummer. Obgleich Erwin vorher seiner Mutter gesagt hatte: »Du mußt dir nich fürchten, det
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher