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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin
Autoren: Martina Kempff
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Seiten gerecht wurde und der mit Sicherheit noch
Jahrhunderte später als beispielhaft angesehen werden würde.
    Und dessen Genauigkeit und Ausführlichkeit Blanka und Raimund
unendlich kostbare Zeit füreinander geschenkt hatte.
    Am frühen Morgen war dieser Vertrag unterschrieben worden. Auf die
Frage des päpstlichen Gesandten, welchen Namen man ihm geben solle, hatten
Blanka und Raimund eingedenk ihrer ersten Begegnung unisono erklärt: »Der
Vertrag von Paris-Meaux.« Als solcher ging dann auch die Niederlage des Grafen
von Toulouse in die Geschichte ein.
    Blankas Blick fiel auf Clara.
    Schon am nächsten Tag sollte ein Zug nach Süden gehen, dem sie sich
anschließen wollte, hatte sie Blanka vor den Feierlichkeiten verkündet. Die
Königin hatte sie geradezu angefleht zu verweilen, wenn schon nicht ihretwegen,
dann doch aus Sorge um Johanna.
    Traurig hatte Clara sie angelächelt und gesagt: »Johanna ist bei
dir bestens aufgehoben. Ich habe eine andere Aufgabe, meine Freundin.«
    »Im Süden kann ich dich nicht beschützen!«
    »Danke, Blanka, aber ich bedarf jetzt keines Schutzes mehr. Und ich
bitte dich herzlich, entsende Theobald nie wieder, um mich zu retten!«
    Während Raimund am Altar schwor, der Kirche künftig stets treu zu
gehorchen, erstarrte Blanka. In ihrem Inneren geschah etwas Seltsames.
    Mein Kind, dachte sie entgeistert. Es bewegt sich, aber auf falsche
Weise! Als versuche es, jetzt schon hinauszugelangen. Das ist viel zu früh!
Um himmlische Hilfe ersuchend, schaute sie nach oben. Wie schön das Licht
durchs Rosenfenster flutet, dachte sie noch, bevor sie ohnmächtig wurde.
    Königin Ingeborg war augenblicklich zur Stelle und schwor
den Wundarzt auf ewiges Stillschweigen ein. Andernfalls sei er des Todes.
    »Du hast leider dein Kind
verloren«, flüsterte sie Blanka zu, als diese die Augen aufschlug. »Das ist
sehr traurig. Aber du wusstest ja, dass in deinem Alter eine Schwangerschaft
Schwierigkeiten mit sich bringen könnte. Du hast zwar viel Blut verloren, liebe
Tochter, aber es wird dir in Kürze wieder gut gehen.«
    »Wo ist Raimund?«, brachte Blanka hervor. An nichts anderes konnte
sie denken.
    »Er wartet vor der Tür«, gab Ingeborg lächelnd zurück. »Und ist fest
entschlossen, erst abzureisen, wenn du wieder gänzlich genesen bist. Übrigens,
ein ausnehmend schöner und liebenswürdiger Mann«, setzte sie hinzu, als sie die
Tür öffnete. »Den wirst du so schnell nicht wieder los. Das freut mich für
dich, denn ich erkenne doch, wie sehr du ihn liebst. Aber schwanger darf er
dich auf keinen Fall wieder machen.«
    Dafür wusste Blanka in den folgenden drei Monaten, die Raimund noch
bei ihr in Paris verblieb, wohl zu sorgen. Es würde keine eheliche Zukunft für
Cousin und Cousine ersten Grades geben.
    Hingegen ein ständiges Problem mit Mauclerc. Und mit Theobald, der
sich nach der Rückkehr in die Champagne völlig irrwitzig benahm. Niemand
begriff, was für ein Wüten ihn befallen hatte, als er plötzlich den Erzbischof
von Lyon auf dessen Reise durch die Champagne überfiel und als Geisel auf einer
Burg hielt. Worauf sich auch sein treuer Freund Heinrich Bar gegen ihn stellte
und den Geistlichen befreien ließ. Mehrere Barone fanden durch Theobalds
Verhalten einen zusätzlichen Grund, in die Champagne einzufallen und Burgen zu
brandschatzen. Ein neues Spottgedicht über ihn machte die Runde und erreichte
auch das Königshaus. Besungen wurde darin ein armer Theobald, der alles
verloren und den alle Freunde im Stich gelassen hatten. Der scheußlich anzusehen
und aufgedunsen mit der Drehleier im Arm vergeblich an Burgtore pochte, nicht
gehört wurde und nirgendwo Einlass fand.
    »Ich muss mich mit meinem Sohn wieder auf einen Feldzug begeben«,
verabschiedete sich Blanka eines warmen Frühsommerabends von Raimund.
»Theobalds Champagne fällt sonst an unsere Feinde. Er beträgt sich derzeit sehr
unverständlich und unziemlich, und doch müssen wir ihm mit unserem Volk zu
Hilfe eilen.«
    »Das bist du ihm schuldig«, pflichtete ihr Raimund bei, selbst schon
in Gedanken bei seinem der Kirche versprochenen Kreuzzug nach Jerusalem. Er
verspürte keinerlei Lust dazu und überlegte, wie er diese Reise hinauszögern
könnte. Der Liebesfrühling war vorbei; so gern er auf ewig in Blankas Armen
verblieben wäre. Warum nur gestaltete sich das Leben für die Hochwohlgeborenen
so kompliziert?
    Die lange Reise gen Süden war ein Kinderspiel gewesen
verglichen mit dem Aufstieg zum Berg
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