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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin
Autoren: Martina Kempff
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Montségur. Immer wieder rutschten Claras
Füße auf dem Pfad aus, der den Namen nicht verdiente. Wegen dieser Unwegsamkeit
brach Alexander sein Gelübde, nie eine Frau zu berühren.
    »Halte dich gut an mir fest, Clara«, drängte er und reichte ihr
seine Hand, »dann schaffen wir es schon!«
    Dankbar ergriff sie die Hand und blickte in die schwindelnde Tiefe.
    »Wie gut, dass der Aufstieg mühsam ist«, versetzte sie. »So kann
niemand diese Burg je erstürmen! Dort oben werden wir mit Gottes Hilfe besonnen und in Ruhe unsere Arbeit verrichten
können.«
    »Wir haben zudem das Wort deines Bruders«, erwiderte Alexander, der
die Berührung mehr genoss, als es einem Perfectus zustand. »Hier sind wir
endlich vor jeglicher Verfolgung sicher.«
    Clara hielt sich mit der anderen Hand an einem Felsvorsprung fest
und blickte in das blühende Tal fern unter sich, sah Lämmer wie kleine Ameisen
auf der Wiese umhertollen und strahlte ihren Begleiter an.
    »Welch eine Freude, gleich bei den Unseren sein zu dürfen, auch wenn
wir wohl keinen von ihnen kennen!«
    Da irrte sie sich.
    Als sie endlich die Burg erklommen hatten und ihnen das Tor geöffnet
wurde, trat hinter Lisette die Perfecta aus Macôn auf Clara zu.
    »Wie schön, mein Kind, dich endlich wiederzusehen. Willkommen
daheim. Ich bin Ermine.«

  Epilog  
    Herrin, der meine ganze Sehnsucht gilt,
    einen Gruß sende ich Euch über das salzige Meer,
    seid Ihr doch die, an die ich morgens und abends denke,
    kein anderer Gedanke kann mich erfreu’n.
    Aus einem Brief des Theobald von Champagne
an Königin Blanka

Januar 1241
    S eufzend legt Blanka das Schreiben aus dem Heiligen Land
zur Seite. Graf Theobald, inzwischen auch König von Navarra und nach dem Tod
seiner Gemahlin Agnes neu verheiratet, bleibt der unverbesserliche Narr, der
sie entweder zur Weißglut oder zum Lachen bringt. Unterdrückt hat sie ihr
Lachen, als vor seiner Reise nach Jerusalem ihr Sohn Robert, angeblich aus
Versehen, eine ganze Schüssel gestockter Milch über ihn ausgeschüttet hat.
Wütend ist sie geworden, als sich Theobald für die abermalige Exkommunikation
Raimunds ausgesprochen hat, die inzwischen allerdings wieder aufgehoben worden
ist.
    Jedenfalls braucht sie nicht zu befürchten, dass der Troubadour dem
Grafen von Toulouse im Heiligen Land die Drehleier oder gar Schlimmeres an den
Kopf wirft; Raimund hat den der Kirche versprochenen Kreuzzug immer noch nicht
angetreten, sondern hält sich derzeit – wie so oft in den vergangenen zehn
Jahren – in Paris auf.
    Diesmal allerdings nicht auf eigenen Wunsch. Ihr Sohn, König Ludwig,
hat ihn herbeizitiert. Es droht nämlich schon wieder die Exkommunikation. Dem
einstigen Herrn des gesamten Languedoc wird vorgeworfen, die heilige
Inquisition zu wenig zu unterstützen, ja, sogar gegen sie zu arbeiten und
Häretiker nicht unnachgiebig genug zu verfolgen. Besonders verwerflich sei es,
dass er das Ketzernest auf dem Montségur noch nicht ausgeräuchert habe.
    Raimund betritt Blankas Gemach. Er sieht erschöpft und
niedergedrückt aus, als er sich ohne einen Kuss ihr gegenüber niederlässt.
    »Ich habe bei deinem Sohn meinen Lehnseid erneuert«, sagt er tonlos.
»Ich werde den neuen Aufstand gegen die Krone in Carcassonne nicht unterstützen,
aber …«
    »Aber?«, hakt Blanka ungeduldig ein.
    »Aber ich werde die Katharer auf dem Montségur in Ruhe lassen. Und
nicht dulden, dass ihnen Leid geschieht. Ich kann nicht anders, Blanka.«
     
    Der letzte Aufstand in Okzitanien
beginnt im Mai 1242 mit der Ermordung der Mitglieder eines
Inquisitionstribunals in Avignon, zwischen Toulouse und Carcassonne. Die Täter,
einige Ritter aus der Katharerburg Montségur und Bürger der Stadt, dringen am
28. Mai in den Burgturm ein, in dem das Inquisitionstribunal untergebracht ist.
In der Schlafkammer metzeln sie die Inquisitoren und deren Diener nieder. Die
Strafe für die Ermordung der zwölf Männer war fürchterlich. Die ganze Stadt
wurde exkommuniziert. Und der Aufstand brach angesichts der militärischen
Übermacht der Armee des französischen Königs Ludwig IX .
zusammen. Der Schlussakt beginnt mit der Belagerung der Katharerfestung
Montségur im Frühjahr 1243 durch eine überlegene französische Armee.
    Peter Milger
    16. März 1244
    Noch kannst du gehen«, spricht Clara eindringlich auf die
Frau eines Soldaten ein, die sie händeringend um das Consolamentum bittet.
»Noch kannst du dein irdisches Leben retten. Du hast zehn Monate lang mit uns
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