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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe
Autoren: Krystyna Kuhn
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heute Abend feiern. Nicht, dass sie auf dem Gipfel des Ghost gestanden hatten – Gott, das war eine Ewigkeit her und erschien Julia nun völlig belanglos –, nein, dass sie es geschafft hatten, heil wieder nach unten zu kommen.
    Und dann hatte Julia die Hütte erreicht und ein seltsames Gefühl machte sich in ihr breit. Sie hatte erwartet, Rauch aus dem Kamin aufsteigen zu sehen, hatte gehofft, Chris würde dort auf der Veranda stehen und Ausschau nach ihr halten.
    Liebe ist etwas Seltsames, dachte sie, während sie sich vor Anstrengung keuchen hörte. Du weißt im Grunde, es ist vorbei, aber du kannst dich nicht lösen. Du bist es, die an ihm klebt, und bei jeder Kränkung, die er dir antut, suchst du einen Grund, ihn zu entschuldigen. Und du findest einen. Immer.
    Seit sie umgekehrt war, hatte sie vergeblich gehofft, Chris würde ihr folgen. Würde einsehen, warum er das Falsche tat. Sie hatte sich vorgestellt, wie er vor ihr stehen würde, sein Gesicht endlich der Spiegel seines wahren Ichs.
    Sie würde ihn nur kurz ansehen müssen und würde dieselbe Ruhe fühlen wie manchmal nachts, wenn sie sich in seinen Armen geborgen fühlte, nachdem sie miteinander geschlafen hatten.
    Aber als Julia jetzt den Türdrücker nach unten bewegte, wusste sie im Grunde bereits, was sie erwartete.
    Ein kaltes Dunkel.
    Eisige Stille.
    Niemand hatte auf sie gewartet.
    Nur der Wind, der um die Hütte fegte.
    Regungslos starrte Julia durch die Fenster ihr gegenüber, wo sich der Spalt am Horizont endgültig schloss.
    Chris hatte sie im Stich gelassen. Sie alle.
    Tränen schossen ihr in die Augen. Sie war völlig erschöpft und fühlte sich so hilflos wie nur einmal zuvor in ihrem Leben.
    Dann sah sie im Halbdunkel den Zettel auf dem Tisch liegen.
    Sie stürzte darauf zu. Sie hatten eine Nachricht hinterlassen!
    Es war zu dunkel, um sie lesen zu können. Julia griff nach den Streichhölzern am Herd, zündete eines an.
    Doch alles, was in Großbuchstaben auf dem Zettel stand, war:
    WIR HABEN ÜBERLEBT!
    Julia konnte sich nicht länger belügen – es klang wie Hohn.

30
    W IR HABEN ÜBERLEBT!« Katie rastete total aus. »Das ist ein Scherz, oder? Das kann nur Benjamin gewesen sein. Oh, er ist so ein Idiot! Bei Gott, ich schwör’s euch. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, werde ich seine Kamera nehmen und sie gegen eine Felswand schleudern, dass sie in tausend Teile zerbricht.« Sie trat zum x-ten Mal gegen die Wand. »Wir hätten ihre Hilfe gebraucht. Wir hätten sie so dringend gebraucht. Und dein Super-Chris...« Katie wandte sich Julia zu. »Kapierst du jetzt langsam, dass er der letzte Arsch ist? Und nicht der, wofür du ihn hältst. Du fällst doch nur auf dieses Macho-Gehabe von ihm herein. Verstehst du nicht, Julia? Männer sind einfach nur eine gefährliche Mutation der menschlichen Spezies. Wenn es darauf ankommt, dann lassen sie dich im Stich.«
    »Vielen Dank«, murmelte Paul.
    »Sie werden Hilfe schicken«, sagte Julia.
    »Ach ja? Und warum haben sie dann nicht auf diesen Zettel schreiben können: WIR HOLEN HILFE! Ist ihr IQ zu hoch, um HILFE buchstabieren zu können?«
    David kam die Treppe herunter. Alle Gesichter wandten sich ihm zu. »Könnt ihr nicht leiser sein? Ana ist gerade eingeschlafen.«
    »Wie geht es ihr«, fragte Julia.
    David hob die Schultern und sah besorgt aus. »Sie hat große Schmerzen, da helfen normale Schmerzmittel kaum. Aber wenigstens ist das Fieber gefallen.«
    »Und die Wunde an der Hand?«
    David seufzte: »Das Antibiotikum scheint anzuschlagen, soweit ich das beurteilen kann. Ich wünschte, ich hätte daran gedacht, mehr davon mitzunehmen.«
    »Ich habe nicht einmal an Zahnpasta gedacht«, murmelte Paul.
    Für einen Moment stieg ein kurzes Lachen auf, das jedoch sofort wieder abbrach, als David sagte: »Auf keinen Fall schafft sie es in diesem Zustand bis hinunter ins Tal. Mich wundert, dass sie die Tortur über den Gletscher und dann hier hoch zur Hütte überhaupt überstanden hat. Sie muss irrsinnige Schmerzen haben. Und ich bin immer noch nicht sicher, ob sie innere Verletzungen hat.«
    Schweigen breitete sich aus.
    »Am besten bleibe ich mit ihr oben, während ihr anderen morgen in aller Früh absteigt und Hilfe holt«, schlug David schließlich vor.
    Zurück. Der Tunnel. Katie schloss für einen Moment die Augen. Wie sollte sie das noch einmal durchstehen?
    Es schien, als hätte Paul ihre Gedanken gelesen. »Es gibt einen Weg, der direkt nach Fields führt.«
    Katie starrte ihn an. Ja,
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