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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin
Autoren: Iny Lorentz
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wenn er dir die Ohren abschneidet.«

IX .
    A ls Vincenzo in das Räuberlager geführt wurde, hatte er nicht den Eindruck, dass es Tomasis Leuten besonders gut ging. Sie saßen missmutig auf dem Boden, stritten sich mit gedämpften Stimmen und bedachten ihren Hauptmann mit verschla-genen Blicken, die ihre Unzufriedenheit verrieten. Gerade, als die Gruppe mit Vincenzo auftauchte, trat einer der Männer mit wiegenden Schritten auf Tomasi zu und verlangte lautstark, dass die Beute aufgeteilt werden sollte. »Wenn du nichts mehr anschaffen kannst, ist es das Beste, wenn wir uns trennen.«
    »So steht es also?«, fragte Tomasi ganz ruhig. Dennoch lag eine Drohung in seiner Stimme, die die meisten der Räuber zusammenzucken ließ. Als Benedetto seinen Fang nach vorne schob, schienen die meisten froh um die Ablenkung zu sein. Einige zeigten auf Vincenzo und lachten hämisch. »Wo habt Ihr denn dieses gerupfte Herrchen aufgetrieben?«
    In dem Moment sprang Tomasi auf. »Das ist doch der Gaul dieses verdammten Gonzaga!«
    Benedetto nickte grinsend. »Der Bursche hier will ihn gestohlen haben.«
    »Das stimmt«, rief Vincenzo schnell. »Paolo Gonzaga wollte mich festnehmen. Ich konnte ihm jedoch entwischen, und damit ich schneller vorwärts kam, habe ich mir sein Pferd geborgt.«
    Einige Leute lachten darüber. Tomasi hingegen sah Vincenzo scharf an. »Dich Burschen kenne ich doch. Warst du nicht der Lautenspieler, der damals den Kastraten begleitet hat?«
    »Genau der bin ich. Vincenzo de la Torre zu Diensten.« Vincenzo deutete eine Verbeugung an, so weit seine Fesseln es zuließen. »Ihr erinnert Euch also noch an meinen Freund Casamonte?«
    Der Räuber nickte, und Vincenzo fühlte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. »Ich habe Euch zwar nicht direkt gesucht, bin aber jetzt froh, Euch gefunden zu haben. Ihr könntet mir, vor allem aber Casamonte einen großen Gefallen erweisen.«
    Einer der Männer zog sein Messer aus dem Gürtel und warf es so, dass es dicht vor Vincenzos Füßen in der Erde stecken blieb. »Gefunden hast du uns, ob es dich aber freuen wird, ist zu bezweifeln.«
    Tomasi winkte ab und funkelte Vincenzo misstrauisch an. »Was willst du von uns? Denke ja nicht, dass wir uns von einem wie dir einwickeln lassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die päpstlichen Behörden versuchen, uns hereinzulegen.«
    Vincenzo atmete tief durch, bevor er zu sprechen begann. »Ich werde selbst von den Behörden verfolgt. Mein Freund Casa-monte und ich haben uns irgendwie die Feindschaft der hohen Herren in Rom zugezogen. Ich konnte bei meiner Verhaftung entkommen, doch Casamonte ist ihnen bei Verona in die Hände geraten und soll dieser Tage nach Rom gebracht werden.«
    Tomasi lachte kurz und trocken. »Und was hat das mit uns zu tun?«
    Vincenzo zwinkerte ihm vertraulich zu. »Ihr haltet doch auch sonst gerne Kutschen auf.«
    »Du bist verrückt. Die Soldaten des Papstes sitzen uns schon fast im Nacken, und da sollen wir auch noch einen Gefangenentransport überfallen, der von etlichen Reitern begleitet wird?« Benedetto machte eine wegwerfende Handbewegung und sah seinen Hauptmann auffordernd an. »Hängen wir den Kerl auf, dann müssen wir uns sein dummes Gequatsche nicht länger anhören.«
    »Nicht so hastig, mein Freund.« Tomasi warf einen Blick auf die Männer, die um ihn herumstanden. »Wir sind vierundzwanzig verwegene Kerle, und an Pulver und Blei mangelt es uns nicht. Bevor wir unsere Bande auflösen, sollte ein letzter, verwegener Streich den Päpstlichen zeigen, dass wir uns nicht wie feige Hunde vor ihnen verkrochen haben.«
    Der Mann, der ihn vorhin angesprochen hatte, lachte höhnisch auf. »Was soll uns das bringen, außer ein paar Unzen Blei zwischen die Rippen? Die päpstliche Garde schießt verdammt gut.«
    Tomasi verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen und stieß Vincenzo den Zeigefinger in die Rippen. »Genau das ist die Frage. Was springt für uns dabei heraus?«
    »Ihr würdet den Soldaten noch einmal kräftig in den Hintern treten …«, begann Vincenzo zögernd. »Und uns dabei die Zehen verstauchen«, unterbrach ihn ein Räuber. »Nichts da. Für so einen Scherz sind wir nicht zu haben.«
    »Noch bin ich der Hauptmann und entscheide«, sagte Tomasi leise, aber in einem Ton, der selbst Vincenzo die Haare aufstellte. Ihm wurde klar, dass er ein stärkeres Lockmittel benötigte, um die Räuber zu überzeugen. »Wie wäre es mit einem Haufen Geld? Giulio Casamonte ist kein armer Mann. Er würde
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