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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma
Autoren: Stendhal
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Liebesgeschichte, von der er keine Ahnung gehabt hatte.
    »Ich werde dafür Sorge tragen,« sagte er, »daß der Marchese mindestens fünf bis sechs Tage abwesend sein wird. Ist Ihnen das recht?«
    Kurz darauf teilte Fabrizzio dem Grafen mit, alles sei vorbereitet, um Crescenzis etwaige Abwesenheit auszunutzen.
    Zwei Tage später, als der Marchese von einem seiner Landgüter bei Mantua zurückritt, wurde er von Räubern, die offenbar im Solde einer Privatrache standen, gefangen genommen und, ohne daß ihm irgendein Leid geschah, in eine Barke gesetzt. Er mußte drei Tage lang den Po stromab fahren und die nämliche Reise machen wie ehedem Fabrizzio nach dem berühmten Vorfall mit Giletti. Am vierten Tage setzten die Räuber den Marchese auf einer einsamen Po-Insel aus, nachdem sie ihn völlig ausgeplündert und ihm weder Geld noch einen sonstigen Wertgegenstand gelassen hatten. Der Marchese brauchte zwei volle Tage, ehe er wieder in seinem Palazzo ankam. Er fand ihn schwarz ausgeschlagen und sein ganzes Haus in trostloser Wehklage.
    Die sehr geschickt ins Werk gesetzte Entführung hatte eine unheilvolle Folge. Sandrino, der heimlich in einem großen und schönen Hause untergebracht war, wo ihn die Marchesa fast alle Tage besuchte, starb nach Verlauf von wenigen Monaten. Clelia bildete sich ein, eine gerechteStrafe habe sie ereilt, weil sie ihr Gelübde der Madonna nicht treu gehalten habe. Während Sandrinos Krankheit hatte sie Fabrizzio häufig bei Licht gesehen und sogar zweimal am hellen Tage und in zärtlichster Wallung. Sie überlebte ihren heißgeliebten Sohn nur um wenige Monate, aber sie hatte das süße Glück, in den Armen ihres Freundes zu sterben.
    Fabrizzio war allzu verliebt und viel zu gläubig, als daß er seine Zuflucht zum Selbstmord nahm. Er hoffte, Clelia in einer besseren Welt wiederzufinden; aber klug, wie er war, verhehlte er sich nicht, daß er viel zu sühnen hatte.
    Wenige Tage nach Clelias Tode unterzeichnete er mehrere Urkunden, kraft deren er jedem seiner Diener ein Jahresgeld von tausend Franken aussetzte und sich selbst eine gleich hohe Rente ausbedang. Der Gräfin Mosca vermachte er Landgüter, die hunderttausend Lire Ertrag hatten, die gleiche Rente seiner Mutter, und was von seinem väterlichen Vermögen wohl übrig blieb, der einen seiner Schwestern, die arm verheiratet war. Am anderen Tage, nachdem er vorschriftsmäßig seine Enthebung vom Erzbistum und von allen Würden erbeten hatte, die ihm durch die Gnade seines Landesherrn und die Freundschaft des Premierministers in reichstem Maße zuteil geworden waren, zog er sich nach der Kartause von Parma zurück. Sie liegt in den Wäldern am Po, zwei Meilen von Sacca.
    Die Gräfin Mosca war seinerzeit durchaus damit einverstanden gewesen, daß ihr Gatte das Ministerium wieder annahm, aber niemals gab sie darin nach, die Lande Ernsts V. wieder zu betreten. Sie residierte in Vignano, eine Viertelstunde von Casalmaggiore am linken Po-Ufer, also auf österreichischem Gebiet. In dem prächtigen Schlosse von Vignano, das ihr der Graf hatte erbauen lassen, empfing sie jeden Donnerstag die höchste Gesellschaft aus Parma und alltäglich ihre zahlreichen Freunde. Es verging kein Tag, an dem Fabrizzio nicht nach Vignano gekommen wäre. Mit einem Wort, die Gräfin schien im Vollbesitzalles Glückes, aber sie überlebte ihren vergötterten Fabrizzio nur um kurze Zeit. Er verbrachte in seiner Kartause kaum ein Jahr.
    In Parma waren die Gefängnisse leer, der Graf unermeßlich reich und Ernst V. verehrt von seinen Untertanen, die seine Regierung mit der der Großherzöge von Toskana verglichen.

Nachwort und Anmerkungen des Übersetzers zur Geschichte des Romans
    ›Ich werde den alten Erzähler Bandello, Bischof von Agen, nachahmen, der eine Sünde zu begehen vermeinte, wenn er in seinen Geschichten wahrhaftige Umstände wegließ oder neue hinzu erfand.‹
    Dieses gegen das Ende der Niederschrift der ›Kartause von Parma‹ am 23. Januar 1839 (also an Beyles sechsundfünfzigstem Geburtstage) zu Papier gebrachte Programm hat der Dichter getreuestens eingehalten. Der Roman birgt eine Menge eigener Erlebnisse und Erinnerungen, dazu eine Anzahl von Motiven, die Stendhal alten Chroniken des Cinquecento und Secento entnommen hat. So hat vor allem der Held der Erzählung, Fabrizzio del Dongo, sein Urbild in Alexander Farnese, dem nachmaligen Papst Paul III. (1534-1549).
    Im Jahre 1832 hatte Beyle in Rom Abschriften aus damals unbekannten alten
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