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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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war es: Kapitel 4, Vers 1: die zweite Coniunctio, die endgültige Vereinigung der Menschen nach der Vertreibung aus dem Paradies …
    Das Opus hatte zehn Stufen, nicht sieben: nach der ersten Coniunctio und der Herstellung der giftigen Tinktur, des Elixirium mortis, musste die Materie erneut getrennt werden und die Mortificatio ertragen, um am Ende zum Elixirium vitae zu werden.
    Nun wusste ich, was ich zu tun hatte …

    Am späten Nachmittag gelang es mir erneut, das ha-Our zum Elixirium mortis zu tingieren. Ich nahm die Phiole mit der wasserhellen Tinktur vorsichtig aus dem Feuer und ließ sie abkühlen, während ich Rodrigo besuchte. Die Ärzte hatten ihn wieder zur Ader gelassen, und er war so schwach, dass er nur ganz flach und unregelmäßig atmete.
    In meiner Wut warf ich die beiden Ärzte hinaus, um mit Rodrigo allein zu sein. Sie stürmten zu Cesare, der wenige Augenblicke später Micheletto zu mir schickte, um zu sehen, was ich im päpstlichen Schlafzimmer tat. Als Micheletto eintrat, hielt ich Rodrigo im Arm und redete beruhigend auf ihn ein, um ihn ins Leben zurückzuholen. Er starrte mich ungläubig an und verschwand wortlos, um Cesare zu berichten, was ich tat. Er kam nicht wieder, also ließ Cesare mich gewähren.
    Ich hielt Rodrigo fest und sprach mit ihm, als ob er mir antworten könnte. Ich erzählte ihm von meinen Erkenntnissen zur Trennung und Wiedervereinigung der Materie und erklärte ihm, wie ich ihn und Cesare retten wollte.
    Ein Stöhnen war Rodrigos erstes Lebenszeichen, nachdem ich ihm etwas von meinem Sonnenelixier eingeflößt hatte. Er wand sich vor Schmerzen, aber ich hielt ihn fest, wiegte ihn, streichelte ihn, flüsterte ihm besänftigende Worte zu.
    Als die Sonne unterging, erwachte er endlich aus seiner Ohnmacht. Eine Stunde später saß er aufrecht in seinem Bett und lächelte.
    Als Cesare diese freudige Nachricht überbracht wurde, sandte er Micheletto zu mir: Er wollte mit mir zu Abend essen.
    Aber ich war nicht hungrig und schickte Micheletto mit einer Nachricht zu Cesare zurück: »Ich habe keine Zeit für ein Abendessen. Ich habe nicht einmal mehr Zeit zum Schlafen. Wenn du mir danken und etwas Gutes tun willst, dann sende mir eine Flasche Opium. Ich habe Schmerzen.«
    Dann kehrte ich in mein Laboratorium zurück.

    Am nächsten Morgen ging es Rodrigo so gut, dass er im Bett saß und Karten spielte. Er aß und trank, und das Fieber sank. Aber Cesares Zustand verschlechterte sich im Lauf des Nachmittags so dramatisch, dass sein Medicus um sein Leben fürchtete.
    Micheletto brachte mich zu ihm, doch Cesare nahm meine Anwesenheit an seinem Bett gar nicht wahr. Ich legte mich neben ihn, hielt ihn im Arm … und schlief dabei vor Erschöpfung ein.
    Erst nach Mitternacht schlich ich in mein Laboratorium zurück – Micheletto musste mich stützen. Ich nahm eine weitere Dosis Opium und starrte ins Feuer des Athanors, in dem mein Leben verbrannte. Die Separatio vollzog sich langsam, aber stetig.
    Was dann unvermeidlich geschehen musste, hätte ich mir eigentlich denken können …

    Am Abend des 16. August war die Separatio abgeschlossen – mein Laboratorium war nicht explodiert! Nach einem großzügigen Schluck aus der Opiumflasche – ich hielt mich nicht mehr damit auf, Tropfen zu zählen – begann ich mit der Mortificatio, erhitzte die Materie im Feuer, bis sie sich unter Qualen zu winden begann.
    Während der Nacht stieg das Fieber bei Cesare. Er warf sich stöhnend in seinem Bett hin und her, kämpfte gegen die Schmerzen, gegen die Demütigung durch das Schicksal, gegen die Ohnmacht. Ich saß eine Stunde an seinem Bett, bis er sich wieder beruhigt hatte und still zwischen den zerwühlten Laken lag.
    In den frühen Morgenstunden des 17. August brach Rodrigo zusammen. Er blieb den ganzen Tag besinnungslos. Am Morgen des 18. August lasen fünf Kardinäle die Messe in seinem Schlafzimmer. Dann erhielt er die letzte Ölung, während im Vatikan bereits das Chaos herrschte.
    Papst Alexander VI ., mein Freund und mein Schüler Rodrigo Borgia, starb während der Abenddämmerung des 18. August 1503. Ich weinte, als ich während seiner letzten Atemzüge seine Hand hielt. Er, der mächtigste Papst seit Jahrzehnten, war allein, von allen verlassen. Die meisten Kardinäle und Monsignori waren panisch aus dem Vatikan geflohen, als sie hörten, dass er die Sterbesakramente erhalten hatte.
    Ich hielt den Sterbenden im Arm, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Micheletto mit ein paar
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