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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit
Autoren: Susanne Kliem
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brannte.
    Er wandte den Kopf zu ihr. »Gesa.«
    Sie näherte sich ihm.
    »Setz dich.« Er klopfte auf die Bettdecke neben sich.
    Gesa betrachtete seinen Kopfverband. »Lars, es tut mir so leid, was passiert ist.«
    Lars lächelte schwach. »Ach was, eigene Blödheit. Einem Bullen sollte so was nicht passieren.«
    Gesa schwieg.
    »Schön, dich zu sehen. Was macht Wolf?« Lars schloss kurz die Augen. Es wirkte, als müsse er vor jedem Satz neue Kraft schöpfen. »Hat er gestanden?«
    »Ja«, sagte Gesa.
    Lars versuchte, sich aufzusetzen. Gesa stützte ihn und stopfte das Kopfkissen in seinen Rücken. Mit einem Seufzer sank er hinein. »Ich hatte ihn schon lange unter Verdacht. Wolf hat einen verdammt starken Willen, das hab ich gleich gespürt. Und klare Vorstellungen für die Zukunft. Und dann seine Reaktion, als ich mir seine Taschenlampe ansehen wollte . . .« Lars rieb sich über die Augen. »Kein Wunder, dass er mich aus dem Weg schaffen wollte. Und dann so eine Steilvorlage – ich lieg bewusstlos vor seiner Nase . . .«
    »Mach keine Witze darüber«, sagte Gesa leise. »Hast du Schmerzen?«
    »Sie haben mich mit Schmerzmitteln vollgepumpt. Muss wohl eine heftige Gehirnerschütterung sein. Und die Wunde war schwierig zu nähen.« Lars winkelte die Beine an. »Ich bin nur froh, dass meine Zehen dran sind. Muss mich noch bei Tom Zagrosek bedanken.«
    »Wenn er dich nicht gefunden hätte . . . Wolf hätte dich getötet.«
    »Ich habe gedacht, er schafft es. Es war so knapp.« Lars schloss wieder die Augen. »Das Komische ist, jetzt fühle ich mich wie befreit. Vorher wollte ich unbedingt mein Leben ändern. Ich war wie besessen davon, ganz neu anzufangen. Ich wollte dich aus deinem Leben herausreißen, obwohl du gar nicht bereit dafür warst.«
    Gesa legte ihre Hand auf seinen Unterarm. »Mach dir nicht so viele Gedanken. Das strengt dich nur an. Du musst erst mal wieder zu Kräften kommen. Wir können ja später darüber reden.«
    »Nein«, sagte Lars, »nicht später. Ich will dir jetzt sagen, was ich fühle. Die ganzen Möglichkeiten, die ich glaubte, zu haben . . . Dieser Druck, das Beste aus meinem Leben zu machen . . . der ist weg. Ich bin einfach dankbar, noch am Leben zu sein. Ich fühle mich so ruhig, zu zuversichtlich. Das wird sich alles finden.«
    Gesa sah nach draußen. Vor dem Fenster stand eine Buche, dahinter brannte eine Straßenlaterne.
    Sie verstand, wovon Lars sprach. Doch ein Gefühl der Zuversicht hatte sie niemals verspürt. Um sie herum hatte sich alles verändert, ohne dass Gesa aktiv dazu beigetragen hatte. Ihr altes Leben gab es nicht mehr. Wolf würde nach seiner Haftstrafe nicht zu ihr zurückkommen, das spürte sie, und sie war erleichtert darüber. Mit Anna allein konnte sie den Hof nicht halten. Sie hatte ein paar Optionen. Ihre Pläne mit den Samen umsetzen. Von den ersten Gewinnen einen Vorarbeiter einstellen. Vielleicht eine Reise machen. Sie hatte Juliane versprochen, sie in London zu besuchen. London! Sie würde mit Felix gemeinsam fliegen, in den Sommerferien. Ihre Gedanken sprangen hin und her, nur um die Frage zu umgehen, die sie nicht zu stellen wagte.
    Lars blickte aus dem Fenster, schien in Gedanken weit weg zu sein.
    Und dann fragte Gesa doch. Sie hörte selbst die Unsicherheit in ihrer Stimme. Ihre Worte würden etwas in Gang setzen. Etwas, das sie vielleicht nicht kontrollieren konnte.
    »Lars? Willst du immer noch mit mir zusammen sein?«
    Er lächelte unsicher. »Warum fragst du?«
    Gesa sah ihm in die Augen. »Ich hab immer gedacht, wenn ich mich still verhalte, wenn ich nicht selbst handle, dann komme ich gut durch mein Leben. Ohne Konflikte, ohne Fehler. Aber das war ein Irrtum. Ich habe alles nur schlimmer gemacht.« Sie zögerte, spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten. »Sogar jetzt noch habe ich Angst vor Konrad. Angst, dass er immer da wäre, wenn wir . . . zusammen sind.«
    Lars wandte langsam den Kopf ab. Er blickte nach draußen. »Was siehst du da vor dem Fenster, Gesa?«
    »Äste.«
    »Sag’s mir genauer. Was siehst du?«
    »Schwarze, kahle Äste einer Buche.«
    Lars nahm ihre Hand und streichelte zärtlich ihre Finger. »Ich nicht. Ich sehe nicht die Äste, sondern die Zwischenräume. Die Äste sind nur dunkle Striche. Linien, die etwas formen. Räume. Siehst du, wie sie sich ständig im Wind verändern?«
    Nun sah Gesa es auch. Es waren Räume voller Licht. Sie nickte. Das war es, was sie brauchte. Eine neue Sicht auf die Dinge. Veränderung.
    Sie
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