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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit
Autoren: Susanne Kliem
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mit Flachbildschirm. Ein schnurloses Telefon lag auf einer Konsole neben der Tür. Und Wolf Hendricks platzierte ein Smartphone vor sich auf dem Tisch.
    Zagrosek bat die Hendricks, draußen zu warten.
    Anna Verhoeven hatte den Mantel anbehalten und saß aufrecht auf einem der Stühle. Sie trug eine moderne Kurzhaarfrisur, durch das Grau zogen sich schwarz gefärbte Strähnchen.
    »Wir können noch nicht sagen, ob es sich bei dem Toten um Ihren Mann handelt«, sagte Blessing. »Seit wann vermissen Sie ihn genau?«
    »Seit Mitternacht. Er ist aufgestanden und aus dem Haus gegangen.«
    »Wohin? Hat er vielleicht jemanden besuchen wollen?«
    »Doch nicht mitten in der Nacht«, sagte Anna Verhoeven.
    »Aber was könnte er draußen gemacht haben?«, fragte Blessing.
    Anna Verhoevens Hände lagen auf dem Tisch, sie waren groß und kräftig. Arbeitshände. »Konrad liegt oft nachts wach und wandert dann herum. Er denkt immer, ich merke es nicht. Aber ich höre es, wenn er weg geht und wenn er wieder ins Bett kommt.«
    »Aber Sie haben heute nicht mit ihm gesprochen?«
    Anna Verhoeven schüttelte den Kopf.
    »Warum konnte er denn so schlecht schlafen?«, fragte Blessing.
    »Ich weiß es nicht. Er redet nicht über so etwas.«
    Zagrosek fühlte sich hilflos. Da saß eine Frau, die befürchten musste, ihren Mann verloren zu haben. Wie lange mochten sie ein Paar sein? Hoffte sie noch, dass er lebte? Ihr Gesicht zeigte keine Regung. Sie wirkte wie die Herrscherin einer alten Festung, bereit, ihre steinernen Schutzwälle zu verteidigen. Vor allem gegen unangenehme Fragen, die sie sich selbst nicht stellen mochte.
    Zagroseks Handy klingelte. Lennart Hage war dran. »Der Ehering des Toten hat eine Gravur. ,Anna 12. 5. 1974’. Ein Gebissvergleich wird endgültig beweisen . . .«
    »Gut«, unterbrach ihn Zagrosek. »Dann sollten wir davon ausgehen.« Sie legten auf.
    Anna Verhoeven sah ihn an. »Er ist es.«
    Zagrosek nickte.
     
    Wolf Hendricks’ Hände zitterten, als er die offizielle Nachricht vom Tod seines Schwiegervaters erfuhr. Er ging zum Schrank, nahm eine Flasche Kräuterschnaps heraus, schenkte sich einen üppigen Schluck ein. »Den brauch ich jetzt. Möchten Sie auch einen?«
    Zagrosek und Blessing verneinten. Irgendetwas Heißes, einen Tee oder Glühwein, hätte Zagrosek gern genommen.
    Wolf Hendricks setzte sich an den Tisch. Der Holzstuhl knarrte unter seinem Gewicht. »Es ist so . . . irreal. Ich kann es einfach nicht fassen.«
    »Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Schwiegervater?«, fragte Zagrosek.
    »Gut. Im Großen und Ganzen.«
    »Was bedeutet ‚Im Großen und Ganzen’?«, fragte Blessing.
    Hendricks seufzte. »Sie wissen schon. Ältere Leute sind manchmal ein bisschen . . . na ja, sagen wir unflexibel. Mein Schwiegervater hat den Hof von seinem Vater übernommen und den Jahresumsatz über die Jahrzehnte verdreifacht. Darauf war er zu Recht sehr stolz. Aber heutzutage laufen Geschäfte anders.« Wolf Hendricks ließ den Schnaps im Glas kreisen. »Ich habe ein paar Ideen entwickelt, wie der Betrieb zukunftssicher gemacht werden kann. Ich will zusätzlich Spargel anbauen, vielleicht später mal ganz von den Bäumen weg. Spargel und Erdbeeren. Es wäre noch ein wenig Überzeugungsarbeit nötig gewesen, aber zuletzt hätte Konrad mich unterstützt, da bin ich sicher. Er war froh, dass er mich hatte.« Er prüfte den Sitz seines Scheitels. »Und natürlich Gesa. Gesa und mich.«
    Zagrosek betrachtete den kräftigen Mann, der nun das Glas leerte. Eltern, die ihr Lebenswerk bewahrten, Kinder, die auf den Fortschritt setzten. Überzeugungsarbeit. War alles so friedlich verlaufen, wie Wolf Hendricks ihnen weismachen wollte?
    »Wer könnte diesen Brand gelegt haben? Gab es jemanden, der Ihrer Familie schaden wollte?«, fragte Zagrosek.
    Wolf Hendricks nickte. »Herbert Graupner. Mein Schwiegervater fühlte sich von ihm bedroht.«
    »Warum?«
    »Ach, da stecken alte Geschichten dahinter, über die Konrad nicht gesprochen hat. Sie haben zeitgleich mit der Weihnachtsbaumproduktion angefangen, waren die einzigen hier in der Umgebung. Auch die ersten Fahrten nach Georgien haben sie gemeinsam gemacht. Das war Pioniersarbeit damals.«
    »Warum nach Georgien?«
    »Samen pflücken. Die Nordmanntanne wurde in Deutschland immer beliebter. Und die Samen stammen hauptsächlich aus dem Kaukasus.« Er schenkte sich noch mal nach. »Das sind unendliche Tannenwälder da unten. Und man konnte pflücken, wo man wollte.«
    »Und wie kam es,
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