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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers
Autoren: Dean R. Koontz
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gefegt.
    Der Ort gefiel Holly. Sie wünschte sich fast, dort zu leben, vielleicht als Achtzigjährige, jeden Tag vor dem Fernseher zu sitzen oder Schach zu spielen, ohne größere Sorgen als die Frage, wohin sie am vergangenen Abend das Gebiß gelegt hatte.
    Die Flure im Innern - ihr Boden bestand aus Vinylfliesen - erwiesen sich als breit und gut gelüftet. Im Gegensatz zu vielen anderen Pflegeheimen roch es nicht nach Patienten, die weder Harn noch Stuhl zurückhalten konnten und von gleichgültigem Personal sich selbst überlassen wurden. Holly nahm auch kein starkes Deodorant wahr, das über einen solchen Geruch hinwegtäuschen sollte. Die Zimmer, an denen sie und Jim vorbeikamen, sahen einladend aus: Breite Fenster gewährten einen weiten Blick über den Garten. Einige alte Männer und Frauen lagen in ihren Betten oder saßen zusammengesunken in Rollstühlen, und manche Gesichter zeigten stummen Kummer. Es handelte sich um die unglücklichen Opfer von Schlaganfällen oder der Alzheimer-Krankheit im letzten Stadium [Alzheimer-Krankheit: Demenz vom Alzheimer-Typ; progrediente diffuse Hirnatrophie, die mit einem Maximum zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr bevorzugt bei Frauen auftritt. - Anmerkung des Übersetzers]. Sie waren in Erinnerungen und innerer Qual gefangen, unterhielten kaum mehr Beziehungen zur Außenwelt. Alle anderen schienen fröhlich zu sein. Holly hörte das Lachen von Patienten - eine Seltenheit in solchen Instituten.
    Die leitende Krankenschwester erklärte, Henry Ironheart wohne schon seit über vier Jahren in Fair Haven.
    Sie führte Holly und Jim ins Büro der Verwalterin Mrs. Danforth, die ihren Dienst erst nach Henry Ironhearts Einlieferung angetreten hatte. Sie war mollig, gepflegt und auf eine zurückhaltende Art und Weise zufrieden - Holly verglich sie mit der Frau eines Pfarrers, der sich um eine fromme Gemeinde kümmerte. Zwar wußte sie nicht, warum sie etwas überprüfen sollte, das Jim bereits bekannt sein mußte, aber sie sah trotzdem in den Unterlagen nach und stellte fest, daß Henry Ironhearts Monatsrechnung regelmäßig per Scheck von einem gewissen James Ironheart in Laguna Niguel bezahlt wurde.
    »Es freut mich, daß Sie endlich gekommen sind, um ihn zu besuchen, und ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt«, sagte Mrs. Danforth mit vorsichtiger Kritik daran, daß der Enkel seinen Großvater in den vergangenen Jahren nie besucht hatte. Gleichzeitig verzichtete sie auf direkte Vorwürfe, an denen Jim Anstoß nehmen konnte.
    Sie verließen das Büro und blieben in einer Ecke des Hauptflurs stehen, abseits der Krankenschwestern und Patienten in Rollstühlen.
    »Ich kann ihm nicht einfach so gegenübertreten«, preßte Jim hervor. »Nicht nach so langer Zeit. Ich fühle mich … innerlich verkrampft. Meine Güte, Holly, ich habe Angst.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung.« Seine Verzweiflung grenzte an Panik, und Jims Blick war so beunruhigend, daß Holly ihm auswich.
    »Hat dich Henry jemals schlecht behandelt, als du klein warst?«
    »Nein, das kann ich mir kaum vorstellen.« Er versuchte, durch die dichten Wolken der Erinnerung zu sehen, und schüttelte dann den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    Es widerstrebte Holly, Jim allein zurückzulassen, und deshalb bat sie ihn darum, sie zu begleiten.
    Aber Jim beharrte darauf, daß sie zuerst gehen solle. »Frag ihn nach den Dingen, auf die es ankommt. Damit wir diesen Ort verlassen können, wenn wir nicht mehr hierbleiben wollen
    - falls es unangenehm oder schlimm wird. Bereite ihn auf die Begegnung mit mir vor. Bitte, Holly.«
    Holly erklärte sich schließlich einverstanden um zu verhindern, daß Jim von einer Sekunde zur anderen floh. Doch als sie beobachtete, wie er auf den Hof trat, um dort zu warten, bedauerte sie es, ihn aus den Augen zu verlieren. Wenn er der dunklen Seite seines Ichs erlag, wenn es dem Feind gelang, ins Hier und Jetzt zu wechseln … dann konnte ihm niemand helfen, dem gestaltgewordenen Zorn zu widerstehen.
    Henry Ironheart befand sich nicht in seinem Zimmer, und eine freundliche Krankenschwester führte Holly zu ihm. Sie deutete auf einen Tisch im gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Fernseher; fünf oder sechs alte Leute verfolgten das Programm.
    Henry spielte Poker mit seinen Freunden. Insgesamt vier Personen saßen an dem Tisch, der so beschaffen war, daß er Rollstühlen genügend Platz bot, und keiner von ihnen trug die sonst üblichen Pyjamas oder
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