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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers
Autoren: Dean R. Koontz
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Büchern, Jim«, sagte die Bibliothekarin. »Sie haben sich von der Außenwelt abgekapselt und ständig gelesen. Vermutlich verwendeten Sie Ihre Fantasie wie ein Beruhigungsmittel.« Sie reichte Holly Führerschein und Leserausweis und fügte an ihre Adresse gerichtet hinzu: »Jim war ein außergewöhnlich intelligenter Junge. Er konnte so sehr in einer Geschichte aufgehen, daß sie real für ihn wurde.«
    Ja, dachte Holly. Ich weiß.
    »Als er in den Ort kam und ich hörte, daß er nie eine richtige Schule besucht hatte und von seinen Eltern unterrichtet worden war … Das ist schrecklich, dachte ich. Nun, ihre NachtklubVorstellungen zwangen sie natürlich dazu, ständig auf Achse zu sein …«
    Holly erinnerte sich an die vielen Fotos in Jims Arbeitszimmer: Miami, Atlantic City, New York, London, Chicago, Las Vegas …
    »… aber es war nicht annähernd so schlimm, wie ich zuerst annahm. Wenigstens hatten sie in ihrem Sohn großes Interesse für Bücher geweckt, und das kam ihm später zugute.« Eloise sah Jim an. »Vermutlich haben Sie Ihren Großvater nicht nach den Hintergründen von Lenas Tod gefragt, weil Sie ihm Kummer ersparen wollten. Aber er ist bestimmt nicht so empfindlich, wie Sie glauben. Und natürlich weiß er mehr als alle anderen.« Eloise richtete den Blick wieder auf Holly. »Stimmt etwas nicht?«
    Holly begriff, daß sie völlig erstarrt stand, den blauen Leserausweis in der einen Hand, reglos und statuenhaft - wie eine der Personen, die in den Bücherwelten darauf warteten, zu neuem Leben erweckt zu werden. Einige Sekunden lang fand sie nicht die Kraft, Antworten zu geben.
    Auch Jim war so verblüfft, daß es ihm die Sprache verschlug. Sein Großvater lebte noch? Wo befand er sich jetzt?
    »Nein«, erwiderte Holly schließlich. »Es ist alles in Ordnung. Ich mußte nur gerade daran denken, wie spät es schon geworden ist…«
    Das Knistern und Rauschen mentaler Statik, und dann eine Vision: Hollys abgehackter Kopf schrie; die abgeschnittenen Hände krochen wie große Spinnen über den Boden; der enthauptete Leib zuckte in Agonie, wand sich hin und her; sie war tot und doch lebendig, und das Entsetzen gewann ein schier unerträgliches Ausmaß …
    Holly räusperte sich und zwinkerte verwirrt. Eloise Glynn musterte sie neugierig. »Äh ja, spät, ziemlich spät. Henry erwartet uns vor dem Mittagessen, und es ist schon zehn. Ich habe ihn noch nicht kennengelernt.« Ihre Zunge schien sich von ganz allein zu bewegen; sie hatte keine Kontrolle mehr. »Ich freue mich auf die Begegnung.«
    Es sei denn, er war vor vier Jahren gestorben, wie Jim gesagt hatte - in dem Fall lag ihr nichts daran, ihm gegenüberzutreten. Doch Mrs. Glynn schien keine Spiritistin zu sein, die munter vorschlug, Tote zu beschwören, um ein wenig mit ihnen zu plaudern.
    »Er ist ein netter Mann«, sagte Eloise. »Wahrscheinlich gefiel es ihm nicht, die Farm nach dem Schlaganfall zu verlassen, aber zum Glück ist er nicht so schlimm dran wie andere. Meine Mutter - Gott segne sie - konnte nach ihrem Schlaganfall weder gehen noch sprechen, war auf einem Auge blind und so durcheinander, daß sie nicht einmal ihre eigenen Kinder erkannte. Der arme Henry ist wenigstens noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, soweit ich weiß. Er kann sprechen und ist drüben in Fair Haven Anführer der Rollstuhlbande, wie ich hörte.«
    »Ja«, sagte Jim mit hohler, hölzerner Stimme. »Das habe ich ebenfalls gehört.«
    Eloise lächelte. »In Fair Haven fehlt es ihm an nichts. Ich finde es wirklich gut, daß Sie ihn dort untergebracht haben, Jim. Es ist keine Schlangengrube wie so viele andere Pflegeheime heutzutage.«
    In einer öffentlichen Telefonzelle blätterte Holly durch die Gelben Seiten und fand die Adresse des Instituts Fair Haven am Rand von Solvang. Sie fuhren Richtung Südwesten durchs Tal.
    »Ich erinnere mich daran, daß er einen Schlaganfall bekam«, sagte Jim. »Er lag im Krankenhaus, in der Intensivstation, und ic h besuchte ihn dort. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich ihn schon seit… dreizehn oder mehr Jahren nicht mehr gesehen.«
    Das überraschte Holly, und ihr Blick schuf eine Hitzewelle aus Scham, in der Jim zu verdorren schien. »Dreizehn Jahre lang bist du deinem Großvater ferngeblieben?«
    »Es gab einen Grund dafür …«
    »Welchen?«
    Eine Zeitlang starrte Jim auf die Straße, brummte dann aus Verärgerung und Abscheu. »Keine Ahnung. Es gab einen Grund, aber ich entsinne mich nicht mehr daran. Wie dem auch sei: Ich
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