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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Wahrscheinlich unter denjenigen, denen der Friede mehr gilt als sogar der Sieg.
    Der Leichenzug mittlerweile war an seinem Ziel angelangt.
    Drei Friedhöfe hatten die Juden von Toledo, zwei außerhalb der Mauern, einen in der Judería selber. In diesem, der klein war und sehr alt, hatten nur die Mitglieder der vornehmsten Geschlechter Grabstätten, unter ihnen die Ibn Esras. Es lagen unter diesen toten Ibn Esras solche, die ihr Geschlecht zurückführten auf einen Nachfahr König Davids, der zusammen mit dem Adoniram, dem Steuereinnehmer König Salomos, nach der Halbinsel gekommen war, und so auch war es vermerkt auf ihren Grabsteinen. Es lagen ferner unter diesen toten Ibn Esras solche, die zur Zeit der Römer Kaufleute gewesen waren, Bänker, Steuereinnehmer, und solche, die unter den Gotenkönigen in Toledo gelebt hatten, gejagt und verfolgt, und solche, die unter den Moslems Wesire gewesen waren und große Ärzte und Poeten. Es lag hier auch jener Ibn Esra, der einstmals das Castillo gebaut hatte, das ihren Namen trug, sowie jener, der dem Kaiser Alfonso Calatrava gehalten hatte, der Oheim Jehudas.
    Auf diesen Friedhof also brachte man die Leichen.
    Eng aneinandergedrückt standen die Trauernden; so dicht standen sie, erzählt der Chronist, daß man über ihre Schultern hätte hinweglaufen können.
    Im Bezirk der toten Ibn Esras hatte man zwei neue Gräber ausgeschachtet. Da hinein legten sie Jehuda Ibn Esra und seine Tochter Raquel und versammelten sie zu ihren Ahnen.
    Dann wuschen sie sich die Hände und murmelten den Segensspruch.
    Und Don Joseph Ibn Esra als der nächste Verwandte sprach das Gebet der Trauernden, welches beginnt: Gerühmt und geheiligt werde der erhabene Name, und welches endet:Der Frieden stiftet in seinen Höhen, Er gebe Frieden uns und allem Israel, und darauf sprechet amen.
    Und dreißig Tage lang in allen jüdischen Gemeinden der Halbinsel und in denen der Provence und Franciens sprachen sie dieses Gebet, zum Andenken Don Jehuda Ibn Esras Unseres Herrn und Lehrers, und der Doña Raquel.
    Wo aber auf Märkten und in Schenken Kastiliens viele Leute zusammenkamen, sangen die Joglares, die Bänkelsänger, Balladen von dem König Don Alfonso und seiner heißen, verhängnisvollen Liebe zu der Jüdin Fermosa. Tief ins Volk drangen die Lieder, und am Werktag und am Feiertag, bei der Arbeit und beim Essen und in den Schlaf hinein sang und summte es in Kastilien:

    Und der König
    Ward verblendet durch die Liebe
    Und verschaute sich in eine
    Jüdin, und sie hieß Fermosa.
    Ja, Fermosa hieß, »Die Schöne«
    Hieß sie, und sie hieß zu Recht so.
    Und mit ihr vergaß der König
    Seine Königin.
    Don Alfonso selber betrat niemals mehr das Gebiet der Huerta del Rey.
    Langsam verwilderten die Gärten und verfiel die Galiana. Auch die weiße Mauer zerbröckelte, die den ausgedehnten Besitz umgab. Am längsten hielt das große Haupttor, durch welches der Castro und die Seinen gezogen waren, um Raquel und ihren Vater zu erschlagen.
    Ich selber bin noch vor diesem Tor gestanden und habe die verwitternde arabische Inschrift gesehen, mit welcher die Galiana den Gast begrüßte: Alafia, Heil, Segen.

Nachwort des Autors 1955
    Jahrzehnte hindurch hat mich die Geschichte jener Hadassa beschäftigt, die, von dem persischen Großkönig Ahasver zu seiner Königin erhöht, unter dem Namen Esther ihr Volk, die Juden, vom sichern Untergang rettet.
    Der kleine Roman, der das Schicksal dieser Hadassa zum Gegenstand hat, »Das Buch Esther«, ist eines der wirksamsten und populärsten Bücher der Bibel. Der Autor versteht sich auf die Kunst der großen hebräischen und arabischen Erzähler, er schafft steigende äußere und innere Spannung und weiß seiner Fabel immer neue Überraschungen abzugewinnen. Überdies schrieb er zu einer Zeit, da sein Volk aus höchster Bedrängnis gerettet worden war, er litt und jubelte mit seinem Volk, und sein patriotischer Schwung teilt sich noch heute dem Leser mit.
    Mich jedenfalls hat »Das Buch Esther« tief angerührt, es hat viele angerührt, und in den mehr als zweitausend Jahren seit seiner Entstehung haben viele versucht, den Roman aus den Geschehnissen ihrer eigenen Zeit heraus zu erzählen. Mehrmals, wenn ich die Bedrängnis der beiden Völker, deren Verband ich angehöre, besonders schmerzhaft spürte, hat es auch mich getrieben, aus dem Sehwinkel meiner Welt heraus die Geschichte der Königin Esther neu zu erzählen.
    Was den kleinen Roman so besonders fesselnd macht, ist
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