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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche
Autoren: von Anette Droste-Huelshoff
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Gerichtswegen ihn arretiren oder sonst verfahren solle. Worauf der Drost in den Gedanken der Abreise durch plötzliche Verwunderung über die seltsame Nachricht gestört, und die Schwere der Worte nicht gleich erwägend, zum Gerichtsdiener gesagt: allerdings, er müße gleich arretirt werden; aber eingestiegen und kaum vom Hof gefahren läßt er halten, und ruft den Gerichtsdiener an den Kutschenschlag, ihm befehlend: er solle noch mit der ganzen Sache ruhen, und schweigen, er wolle erst in Paderborn anfragen, die Sache sei so lange her, die Zeugen meist todt oder fort, die ganze Untersuchung also schwer und unklar, auch schon längst Gras darüber gewachsen.
    Dort angekommen geht er nach dem noch von Preußischer Seite angestellten Regierungspräsidenten von Coninx , und frägt ihn um Rath, der aber sagt gleich, er möge den Hermann W. ganz ungekränkt lassen, 24jährige Sklaverei wäre nach dem Gesetze dem Tode gleich gesetzt. Und so fährt er wieder nach Haus und läßt dem Hermann W. sagen, daß er ganz frei und unbestraft leben dürfe, und er möge bei Gelegenheit einmal zu ihm kommen.
    Da meldet einen Nachmittag, als die Familie beim Kaffee sitzt, der Bediente: der Algierer sei da und wolle gern den gnädigen Herrn sprechen. Auf den Befehl, er solle ihn nur herein weisen, tritt ein kleiner krüpplicht bucklichter Kerl herein, ganz kümmerlich aussehend, der auf die Frage, ob er der Hermann Winkelhanns sey und wie esihm ergangen, dieß erst nach mehrmaliger Wiederholung versteht, und dann in einer Sprache antwortet, deren Zusammenhang wieder niemand im Zimmer versteht, und die ein Gemisch scheint von wenig Deutsch und Holländisch, mehr Französisch und Italiänisch und Türkisch, wie sie die Sclaven in der Barbarei unter einander sprechen.
    Erst nach mehreren Monaten, als er unter seinen Verwandten wieder gebrochen Deutsch gelernt und mehrmals und oft wieder gekommen, hat er sich dem Drosten ganz verständlich machen können, der ihm nach und nach seine Geschichte abgefragt.
    Da hat ihn einsmals auch der Drost gefragt: »nu seg mal Hermen, du brukst ja jetz doch nix mer to förchten, wi is dat kumen med den Jauden dat du den vor de Blesse schlahen hest?« »Ach dat well ek er Gnaden seggen, ek wull’ en nich daut schlahen, sunnern men düet dörchprügeln, wi ek en averst sau an den Kragen fatte da ritt he sik loß, un gav mi einen med sinen dören Stock, dei mi höllisch wei deihe, da schlog ek en in der Bosheit med minen Knüppel glik övern Kopp dat he flugs tosammen stört asse ’n Taskenmest. Da dacht ek: nu is et doch verbi, nu sust ’n auck ganz daut schlahen.«
    Wie er ihn nun todt vor sich liegen gesehen, da wäre die Angst über ihn gekommen, und wäre nicht wieder zu seinem Herrn nach Ovenhausen gegangen sondern nach Hause, und da sein Vater darüber verwundert, habe er ihm gesagt er hätte Streit mit seinem Brodherrn bekommen und sei aus dem Dienst gegangen. Da sei denn aber auf einmal die Nachricht von dem Morde gekommen, undsein Vater um jenen Prozeß wissend habe ihn scharf angesehen: »Hermen Hermen med di is et nich richtig, du hest wat up de Seele, give Gott dat et nich Unglück un Schanne is.« Nun hätte er am Mittag in der Hausthür gestanden, als er die Gerichtsdiener von der einen Seite und den gnädigen Herrn von der andern im Dorf herauf kommen gesehen. Da hätte er wohl gemerkt daß es auf ihn abgesehen, und sei in die Stube gesprungen und hätte seinem Vater gesagt; er solle ihn nicht verrathen; und da der Gerichtsdiener schon vor dem Hause, sei er zum Fenster hinaus in den Garten in die Vicebohnen gesprungen.
    Da hätte er denn hören können wie sie nach ihm gefragt, und sei in der größten Angst gewesen weil das Fenster noch offen, und wenn sie da recht zugesehen so würden sie die Fußtapfen im umgegrabenen Lande haben sehen können, wo er heraus gesprungen, bis in die Vicebohnen, einmahl habe der gnädige Herr zum Fenster heraus gesehen, da habe er in höchster Angst das Gelübde gethan, baarfuß nach Werl zu wallfahrten wenn ihn niemand sähe. Da hätte ihn die Mutter Gottes erhört und ihn niemand entdeckt, als es aber Nacht geworden da sei er leise über den Zaun gestiegen und queer durch den Garten zum Dorf hinaus. Auf der Höhe nach dem kleinen Kiel zu habe er sich noch einmal umgesehen, da hätte er die Lichter im Dorfe gesehen und die Hunde hätten gebellt, damahls habe er gemeint er kriegt es nun wohl sein Lebtage nicht wieder zu sehen. Und er hätte Schuh und
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