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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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Futterinhaltsstoffe,
Verpflichtung zur Nennung eines Vertragstierarztes. 3
    Der Bundesverband der Verbraucherinitiative e. V. lobt die umfassende Dokumentation des QS-Systems, weil dadurch Warenströme transparent werden. Das ermöglicht, im Schadensfall den Weg verunreinigter Produkte schnell ermitteln zu können. Punktgenaue Rückrufaktionen gesundheitsgefährdender Produkte sind dann realisierbar. Auch dass die Futtermittelbranche eingebunden ist, halten Verbraucherschützer für sinnvoll. Schließlich wurden Lebensmittelskandale in der Vergangenheit meist durch verunreinigte Futtermittel |295| verursacht. So sind die Rohstofflieferanten beispielsweise verpflichtet, auch die Herstellungsverfahren zu dokumentieren. Das erleichtert ein Erkennen riskanter Methoden.
    Augenscheinliche Schwächen des Systems schönt die Branche mit dem Schlagwort »Qualität und Sicherheit« (Wal-Mart). Wohl wird dokumentiert – aber geändert wird am Prinzip der industriemäßigen Pflanzen- und Tierproduktion nichts. Das QS-System adelt die übliche Massenproduktion mit all ihren Mängeln.
    Nur ein Beispiel aus der Tierhaltung: Nach wie vor werden rund 85 Prozent der Hühner in Drahtkäfigen gehalten. Die Drahtkäfige haben eine Grundfläche von 40 x 45 Zentimeter. Durchschnittlich ist eine Legehenne bei angelegten Flügeln knapp 50 Zentimeter lang und 15 Zentimeter breit. Wenn sie steht, nimmt sie den wenigsten Platz ein; der Bedarf wird mit rund 430 Quadratzentimetern bemessen. Einem Tier bleibt damit weniger als die Fläche eines DIN-A4-Blattes zum Leben. Die Verteilung der Hennen in einem solchen Käfig ist so gedacht, dass sich drei Hennen zugleich vorne aufhalten können, die vierte quer hinter diesen im rückwärtigen Teil. Meist befinden sich fünf Hennen in einem Käfig, bisweilen auch acht. Damit die Eier in die Auffangrinne rollen, ist der Käfigboden nach vorne geneigt. Die Neigung wird dadurch erreicht, dass sich die Käfighöhe von mindestens 40 Zentimeter im vorderen Bereich auf hinten 35 Zentimeter verjüngt. Weil eine durchschnittlich große Henne 38 Zentimeter misst, kann sie also nur im vorderen Bereich des Käfigs aufrecht stehen. Hennen, die in Käfigen untergebracht sind, sind an sämtlichen natürlichen Verhaltensweisen wie Sandbaden, Strecken, Flügelschlagen oder der Eiablage an geschützter Stelle gehindert. Zusätzlich regelt ein künstlicher Tag-Nacht-Rhythmus die Eierproduktion. Gegen Ende ihrer Legezeit muss eine Henne immer längere Helligkeitsphasen ertragen – von rund 15 bis zu 23 Stunden am Stück. Nach EU-Recht ist diese tierquälerische Haltung noch bis 2012 erlaubt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Batteriehaltung 1999 als nicht vereinbar mit dem Tierschutzgesetz beurteilt. Die Legehennenhaltungsverordnung, die daraufhin 2002 in Kraft trat und einen Ausstieg aus der Käfighaltung bis 2007 vorsah, war ständiger Kritikpunkt der Agrarlobby. Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, |296| Bundesländer mit einem immensen Anteil an Käfighaltung, stellten 2003 Gegenanträge, hatten aber keinen Erfolg. Derzeit (2006) nutzt Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) den Ausbruch der Geflügelpest, um den Streit neu zu entfachen. Er wetterte gegen die frühere Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne). Aufgrund ihrer »ideologisch verbrämten« Vorbehalte gegen die Käfighaltung hätte sie verhindert, dass »art- und tierschutzgerechte Käfige« entwickelt würden. 4
    Hühner in Drahtkäfigen, Schweine, die, auf engstem Raum zusammengepfercht und ohne Einstreu vegetierend, sich auf Betonspaltenböden Wunden zuziehen, oder aus Gründen der Futterersparnis im Halbdunkel gehaltene Kühe, die regelmäßig künstlich befruchtet werden, um Kälber und Milch zu produzieren – die Negativbeispiele aus der konventionellen Landwirtschaft würden den Rahmen dieses Buches sprengen. In Deutschland gibt es etwa 140 Millionen Tiere in Massentierhaltung, davon rund 54 Millionen Hühner, 40 Millionen Schweine, die übrigen sind Rinder und Kälber, Puten, Enten und Gänse. Schnitzel, Steak und Keule wachsen eben nicht auf Bäumen, sondern stammen von Lebewesen, deren Ansprüche jeder verantwortungsvolle Tierhalter anerkennt und entsprechend umsetzt.
    Ebenso wenig wie über Haltungsbedingungen macht das QS-Siegel Aussagen über die Verwendung von Gentechnik oder über Aspekte des Umweltschutzes. Auch ist nirgends festgeschrieben, dass das System nicht hinter den heutigen Stand zurückfallen darf.
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