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Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)

Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)

Titel: Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
Autoren: Nadja Losbohm
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verletzt hatten. Manchmal können Worte mehr wehtun, als ein Schlag in die Magengrube. Ich wusste dass nur zu genau, hatte ich es doch schon mehrfach selbst erfahren müssen. Aber in diesem Moment war es mir egal. Er hatte auch mir wehgetan.
    Ohne etwas zu erwidern, drehte er sich um und lief zur Zimmertür. Er öffnete sie und trat hinaus auf den Gang. Die Tür war schon fast geschlossen, da steckte er seinen Kopf noch einmal ins Zimmer und sagte: „Ich weiß, dass es dich quält, Ada. Glaubst du, es fällt mir leicht Nein zu sagen? Wenn du das denkst, dann kennst du mich nicht!“
    Die Tür wurde geschlossen, und ich war wieder allein.
     
    Das Dumme war, dass man sich in unserem trauten Heim nur bedingt aus dem Weg gehen konnte. Egal wie viel Platz es bei uns gab, früher oder später prallte man aufeinander. Ich wollte es lieber früher als später hinter mir haben. Während ich duschte, versuchte ich mir die passenden Worte für meine Entschuldigung in meinem Kopf zurechtzulegen. Es hatte keine zehn Minuten gedauert, da bereute ich schon das Gesagte. Mein schlechtes Gewissen hatte noch nie lange gebraucht, um sich zu melden. Da mich meine Gedanken so sehr beschäftigten, bemerkte ich nicht, wie schnell die Zeit verging, und ich hatte länger gebraucht als sonst. Als ich mich fertig angezogen hatte, ging ich in die Küche und fand den Pater beim Kaffee kochen. Er starrte mich kalt an, als ich eintrat und wandte sich schnell wieder ab. Seine Reaktion versetzte mir einen Stich ins Herz. Aber ich hatte es ja nicht anders verdient. In Gedanken streute ich Asche über mein schändliches Haupt. „Es tut mir leid, Michael,“ sagte ich leise.
    Pater Michael erstarrte bei meinen Worten, kehrte mir aber immer noch den Rücken zu. „Ich meinte es nicht so, wie ich es gesagt habe. Es tut mir alles so weh, dass ich…,“ begann ich zu sagen, aber mir verschlug es die Sprache, als er zu mir herumwirbelte und mich finster ansah. „Du vergisst, dass es auch mein Kind ist!“, fuhr er mich so laut an, sodass ich befürchtete, dass es sogar der Reporter gehört haben könnte. „Durch dich wurden mir Träume aufgezeigt, an die ich nie zu denken gewagt habe! Und nun muss ich etwas aufgeben, von dem ich dachte, dass es mir niemals widerfahren würde. Ich muss einen Teil von dir aufgeben. Ein Stück von der Frau, die ich lieb… .“ Seine Stimme brach weg, und er wandte sich zur Seite, um sich mit dem Ärmel seiner Soutane die Tränen aus den Augen zu wischen. Er atmete tief durch und sprach weiter: „Auch ich trauere um ein Kind, das ich weggeben muss, weil ich eine Pflicht zu erfüllen habe. Denkst du vielleicht, ich mache mir keine Vorwürfe deswegen? Ich komme mir egoistisch vor, weil ich dir das angetan habe und dem Kind seine Mutter wegnehme! Es ist meine Schuld, dass du diesen Schmerz durchleben musst.“ Die Stimme versagte ihm erneut und ein herzzerreißender Schluchzer drang aus seiner Kehle.
    Es schmerzte mich, ihn so zu sehen. Der Anblick von weinenden Männern war für mich unerträglich.
     
    Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich konnte darauf nichts erwidern. Erst jetzt begriff ich, wie egoistisch ich gewesen war. Nur mein eigener Schmerz hatte mich beschäftigt. Aber ich hatte nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, was der Pater dachte und empfand. In diesem Moment wollte ich einfach nur zu ihm gehen und ihn in die Arme nehmen, um ihn zu trösten. Langsam durchquerte ich den Raum und berührte seine Schulter. Er zuckte erschrocken zusammen. Um sich davon abzuhalten erneut laut zu schluchzen, biss er sich fest auf die Unterlippe. Es sah aus, als würde es wehtun, denn die Haut war ganz weiß. Ich hob meine Hand und strich über seinen Mund. Als er ihn entspannte, zeigten sich die Abdrücke seiner Zähne, die sich in die Haut eingegraben hatten. Seine Augen waren weit aufgerissen, als hätte er Angst vor mir, und ich dachte, er würde jeden Moment vor mir Reißaus nehmen. Aber er wehrte sich nicht, als ich meine Arme um ihn warf und ihn festhielt, und wir weinten beide. Ich spürte sein Gesicht, das er an meiner Halsbeuge vergrub und fühlte, wie seine Tränen den Stoff meines Pullis durchtränkten und meine Haut befeuchteten. Wir sprachen nicht mehr über die Dinge, die an diesem Morgen passiert waren. Wir wussten nun vom Schmerz des anderen und dass wir uns gegenseitig helfen mussten. Wir mussten zusammen stark sein und für einander da sein. Und ich entschied mich dazu, das Bild von meinem Kind
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