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Die Jäger des Roten Mondes

Die Jäger des Roten Mondes

Titel: Die Jäger des Roten Mondes
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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lange, lange Zeitspanne, länger als der Kampf zuvor, länger als die Jagd, ein Abgrund, der sein Leben in zwei Teile spaltete. Er war noch am Leben. Aber was hatte das jetzt noch für einen Wert?
    In der neutralen Zone roch es nach Essen, aber sein Magen drehte sich von dem Geruch um. Rianna brachte ihm einen Teller voll, doch Dane sagte: »Ich habe keinen Hunger, ich kann nichts essen.« Als sie ihm den Teller in die Hand schob, begann er jedoch automatisch, es in den Mund zu schieben, ohne es zu schmecken. Er aß alles auf, und sie brachte ihm mehr, und plötzlich wurde sein Kopf wieder klar. Der dunkle Albtraum war verschwunden, aber gleichzeitig war er wirklicher geworden. Dallith war tot, und er saß hier und aß das Steak-Menü, um das er hatte bitten wollen. In plötzlichem Entsetzen stellte er die Reste des zweiten Tellers weg. Es war nicht viel übrig geblieben. Ihm war zum Speien übel. Mit einer Art benommener Verwunderung sagte er: »Wie kann ich hier sitzen und essen …« Rianna blieb stumm. Sie legte nur wortlos ihre kleine, harte Hand über seine, und er sah, daß ihre Augen tränenüberströmt waren. Sie hatte nicht geschluchzt, sie wischte die Tränen nicht weg, sie saß nur da, aß und weinte gleichzeitig, und Danes Verstand und seine Gefühle erwachten mit einem schmerzhaften Ruck. Er nahm ihr den Teller fort, legte seinen Arm um sie, trocknete ihr Gesicht mit seiner Tunika und sagte: »Liebling, wenn du dich weiter so voll stopfst, wird dir schlecht werden.«
    Was bin ich nur für ein Schwein, dachte er. Sie ist verwundet und muß sich auch noch um mich kümmern. Mit Erstaunen sah er, wie viel sie verschlungen hatten. Natürlich, nach so einem Kampf … Wie viele habe ich überhaupt getötet? Ich werde es wohl nie wissen, aber ich bezweifle, daß der alte Samurai sich meiner schämen würde. Er muß selbst einen verdammt guten Kampf geliefert haben, wenn sie sich nach vierhundert Jahren immer noch so gut an ihn erinnern, daß sie sein Gesicht tragen.
    Wieder trocknete er sanft Riannas Gesicht. Dallith war tot, und es schien nichts mehr in der Welt zu geben, für das zu leben sich lohnte, aber Rianna war noch da, und sie brauchte ihn …
    Sie sagte, während sie endlich zu schluchzen begann: »Ich habe sie auch geliebt, Dane. Aber sie konnte nicht weiterleben mit dieser Erinnerung. Die Jagd hatte sie zerstört, das war schlimmer als der Tod für sie …«
    Aratak rückte nahe zu ihnen heran. Er sagte in seinem freundlichen Rasseln: »Sie fürchtete sich davor weiterzuleben, als ihr ganzes Wesen einen Teil von den Jägern absorbiert hatte. Rianna hatte recht, Dane: Empathen von Spika Vier sterben immer, wenn sie allein von ihrer Welt getrennt werden. Sie begann zu sterben, als sie ihre Welt verließ, aber sie blieb bei dir, so lange sie konnte, weil du sie so verzweifelt brauchtest und sie das wußte …«
    Dane senkte den Kopf. Er war überzeugt gewesen, Dallith habe weitergelebt, weil er sie gelehrt hatte, es zu wollen. Vielleicht hatte sie für kurze Zeit seinen eigenen Lebenswillen geteilt, wie sie so vieles in dieser kurzen Zeit mit ihm geteilt hatte. Aber ihm wurde klar, daß Aratak recht hatte. Er hatte Dalliths Leben nicht um ihretwillen gerettet, sondern um seiner selbst willen; während er ihren Lebenswillen genährt hatte, hatte er seine eigene Furcht, mit ihrem Tod konfrontiert zu werden, in Schach gehalten.
    Leben und Tod, Liebe und Tod – ich dachte, ich hätte es begriffen. Aber vielleicht wird nie jemand alles darüber wissen …
    Sie waren die einzigen in der neutralen Zone – wahrscheinlich, dachte Dane, das einzige noch lebende Wild überhaupt. Die Diener, die sich leise und wortlos durch das Gelände bewegten, schienen ihnen immerhin eine gewisse Ehrfurcht entgegenzubringen.
    Wir sind immer noch das Heilige Wild, dachte er.
    Dane und Rianna legten sich endlich todmüde nieder, eingewickelt in einen einzigen Umhang. Kurz flackerte Verlangen in seinem Körper auf, aber bei dem bloßen Gedanken daran überfiel ihn die Erschöpfung, und sein ausgelaugter Körper und seine müde Seele fielen in den bodenlosen Abgrund eines dem Tod ähnlichen Schlafes.
    Als er erwachte, war die Morgendämmerung bereits aufgezogen, und die Sonne ging auf, und als er feststellte, daß sie lange über die sichere Zeit hinaus geschlafen hatten, wunderte er sich einen Moment lang, warum sie nicht im Schlaf abgeschlachtet worden waren. Als er dann die Diener um sie herum aufgestellt sah, ferner ein
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