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Die Insel des Schreckens

Die Insel des Schreckens

Titel: Die Insel des Schreckens
Autoren: Hans W. Wiener
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Kumis auf und trieb dann auf dem ölig glatten Wasser. Der unirdische Heulton war ebenso verstummt wie der Sturm. Nichts erinnerte mehr an das furchtbare Toben, das noch vor wenigen Augenblicken alles zu zerstören drohte. Nun erschienen die Stille und Ruhe unwirklicher als das Tosen des Infernos.
    »War es Wirklichkeit?« flüsterte Kalathee. Sie lag an der Reling und umklammerte noch immer krampfhaft die Verstrebungen. Sie lag auf der Seite, hatte die Augen geschlossen und zitterte. Mühsam erhob sie sich schließlich und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling. Sie atmete schwer. Mit einer Hand fuhr sie sich durch ihr langes blondes Haar und streifte die Nässe aus den Strähnen. Auf ihrer Zunge lag ein salziger Geschmack, in ihren Augen brannte noch immer das Meerwasser. »Was war das?« fragte sie. »Welche Macht hat uns das gesandt?« Sie murmelte die Worte leise.
    Nur wenige Schritte von ihr entfernt lag Sadagar. Der Steinmann hatte sich an dem Stumpf einer Verstrebung festgeklammert. Er bewegte sich nicht.
    Kalathee erhob sich, ging auf ihn zu und hockte sich neben ihn. Sie sah, dass er atmete. Seine schmächtige Brust hob und senkte sich gleichmäßig.
    »Es ist vorbei«, sagte sie.
    »Kannst du das wissen?« entgegnete Sadagar.
    Am Fuß des Mastes saß Nottr. Er beobachtete die Frau, und für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke. Kalathee wich dem Blick aus und sah hoch zur Spitze des Mastes.
    Plötzlich wich sie zurück. Sie taumelte einige Schritte und presste die Handknöchel zwischen die Zähne. Ein gellender Schrei scholl über das Deck. »Mythor!«
    Gleichzeitig sprangen Sadagar und Nottr auf die Beine. Zuerst starrten sie die Frau an, dann folgten sie ihrem ausgestreckten Arm und drehten ihre Köpfe zur Spitze des Mastes.
    »Er ist weg!« flüsterte Kalathee.
    »Beim Kleinen Nadomir«, murmelte der Steinmann.
    Nottr lief nach vorn zum Bug, lehnte sich über die Reling und blickte ins Wasser.
    »Mythor!« rief er und legte beide Hände wie einen Schalltrichter an den Mund. »Mythor, kannst du mich hören?« Einen kurzen Moment wartete er auf Antwort und lauschte. Sein Blick streifte über die spiegelglatte Oberfläche des Meeres. Nirgendwo war eine Bewegung zu entdecken.
    »Mythor!« rief der Lorvaner noch einmal. Er pumpte die Lungen voll Luft und ließ seine Stimme dröhnend über das seltsam ruhige Meer schallen.
    »Die Taue sind zerrissen«, stellte Sadagar fest. Er stand unter dem Mast und blickte nach oben. »Die Welle hat ihn mitgenommen!«
    Kalathee hob beide Hände an den Kopf. »Das darf nicht sein«, flüsterte sie. Ihre Lippen zitterten. Es schien, als murmle sie Beschwörungen.
    »Mythor!« brüllte der Lorvaner noch einmal, und sein Gesicht lief unter der Anstrengung rot an. Am Rand des Decks umrundete er das gesamte Schiff. Immer und immer wieder rief er den Namen des Vermissten .
    »Ist damit das Schicksal der Lichtwelt besiegelt?« fragte Kalathee leise. »War das der entscheidende Sieg der Mächte der Finsternis?«
    Nottr stand am Heck der Kurnis und schlug mit der Faust auf die Reling. »Mythor!« brüllte er wieder, und seine Stimme klang flehentlich. Doch sie verhallte ungehört in der Weite des Meeres.
    »Das Meer gibt niemals seine Beute zurück«, stellte der Steinmann fest.
    Nottr drehte sich um und starrte Sadagar wütend an. Es sah so aus, als wolle er sich auf ihn stürzen, um ihn für die Bemerkung mit eigenen Händen zu erwürgen. Der Steinmann zog den Kopf ein. In diesem Augenblick wünschte er sich, im Boden versinken zu können.
    Eine kleine Welle bildete sich im Heckwasser des Schiffes und schlug leise gegen den Rumpf. Die Welle war von einem Kopf verursacht worden, der plötzlich auftauchte. Der Kopf eines Menschen. Langes, dunkles Haar hing ihm in nassen Strähnen um die Stirn.
    Nottr sah ihn und prallte zurück. Er streckte die Hand aus und deutete mit dem Finger in das Wasser. »Dort!« stammelte er.
    Sofort standen die Gefährten neben ihm. Sadagar schnappte nach Luft. Er wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken. Er klappte seinen Mund wieder zu und starrte wortlos ins Wasser.
    Kalathee beugte sich weit über die Reling, um besser sehen zu können. Sie verlor das Gleichgewicht, und ihre Füße lösten sich vom Boden. Im letzten Augenblick packte sie der Lorvaner an der Kleidung und riss sie zurück.
    »Mythor!« rief Kalathee.
    Der Kopf bewegte sich. »Vielleicht ist jemand so freundlich und hilft mir hinauf«, sagte der Kopf. Eine
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