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Die Insel des Schreckens

Die Insel des Schreckens

Titel: Die Insel des Schreckens
Autoren: Hans W. Wiener
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seinen Körper.
    »Gib es auf!« rief ihm Sadagar zu. Der Steinmann war gestürzt und klammerte sich verzweifelt an kleinen Erhebungen der Planken fest. Wenn er den Halt verlor, würde ihn das Schaukeln des Schiffes über Bord schleudern. »Ohne ein Segel ist das Ruder sinnlos. Du kannst die Kurnis nicht mehr steuern.«
    »Nottr!« schrie jetzt auch Kalathee. Sie rief es ängstlich, in der Panik wirkte ihre Stimme schrill.
    Der Lorvaner ließ bei ihrem Ruf das Ruder los. Er wirbelte, herum und sah die Frau an die Reling geklammert. Er versuchte das Schaukeln des Schiffes auszugleichen und taumelte auf sie zu. »Halt durch, Kalathee!« brüllte er.
    »Hilf Mythor!« rief Kalathee zurück.
    Nottr blieb stehen und drehte sich um. Erst jetzt entdeckte er den Mann, der an der Spitze des Mastes hing. Er zuckte zusammen und wankte auf den Mast zu. Nach einem Schritt jedoch blieb er stehen und blickte zurück auf die blonde Frau, die sich verzweifelt an die Reling klammerte. Für Augenblicke konnte er sich nicht entscheiden, wem er zuerst helfen sollte.
    »Hilf Mythor!« wiederholte Kalathee. »Ich kann mich halten!«
    Ein neuerlicher Windstoß traf die Kurnis. Unter der gewaltigen Wucht des Windes und der Wellen stöhnte das Holz des Schiffsrumpfs. Die Kurnis neigte sich zur Seite. Kalathee schrie auf, als Mythor am Mast durch die Luft gewirbelt wurde.
    Der geflochtene Hanf der Taue schnitt Mythor schmerzhaft ins Fleisch. Er versuchte sich am rissigen Holz des Mastes festzuklammern, aber die ständigen Schwankungen rissen ihn immer wieder los. Holzsplitter bohrten sich in seine geschundenen Handflächen.
    Mythor tastete nach seinem Gürtel und fühlte plötzlich den Griff des Dolches. Die Klinge saß stramm in der Scheide und war nicht herausgerutscht. Er riss die Waffe heraus und zog sich an dem festgebundenen Bein hoch.
    Inzwischen hatte Nottr den Mast des Schiffes erreicht. Er zog sein Krummschwert und schob es sich zwischen die Zähne, um beide Hände frei zu behalten. Dann umklammerte er den rauen Mast mit Händen und Füßen und kletterte hinauf.
    Der Lorvaner war noch etwa zwei Armspannen von Mythor entfernt, als von Süden her eine gewaltige Welle heranbrandete. Sie musste weit über zehn Schritt hoch sein. Auf ihrem Kamm bildeten sich weiße Schaumflocken, die vom Wind davongefetzt wurden.
    »Du schaffst es nicht mehr«, warnte Sadagar, aber der Sturm riss ihm die Worte von den Lippen. Außerdem war der Heulton zu einer solchen Stärke angewachsen, dass er alle anderen Geräusche übertönte.
    Wie eine Nussschale in der Brandung des Ozeans neigte sich die Kurnis zur Seite, als sie in das Wellental, das der gewaltigen Woge voranging, hineinglitt. Ein Zittern durchlief den gesamten Bootskörper.
    Jetzt erst bemerkte Nottr die Gefahr. Er sah die Wellenwand über sich auftauchen und öffnete den Mund. Doch sein Schrei erstickte in der Kehle. Er verlor das Krummschwert, das er zwischen den Zähnen gehalten hatte. Mit aller Kraft umklammerte er den Mast und zog sich gegen das Holz.
    Wie eine Lanze, die zum Stoß gesenkt wird, zeigte der Mast des Schiffes auf die hoch aufragende Wellenwand. Fast die Hälfte des Rumpfes tauchte aus dem Wasser auf. Lose Planken und Balken rutschten über das schrägstehende Deck, verfingen sich in den Tauen oder glitten in das tosende Meer.
    Der unwirkliche Heulton erscholl nun mit einer solchen Macht, dass die Trommelfelle der Menschen zu zerreißen drohten. Sadagar verlor den Halt, als er für einen winzigen Augenblick seine Hände gegen den Kopf presste. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Er schlitterte über das Deck. Dabei überschlug er sich und prallte mit dem Kopf gegen eine hölzerne Verstrebung. Mehr instinktiv griffen seine Hände zu, und seine Arme umklammerten das nasse Holz. Er öffnete den Mund, um zu schreien, aber das Wasser schlug über ihm zusammen und erstickte jeden Laut.
    Mit der Mastspitze voran drang die Kurnis in die gewaltige blutrote Welle. Unvorstellbare Wassermassen krachten gegen die Planken, zerstörten Teile der Aufbauten und brachen Balken wie dünne Hölzer auseinander. Ein donnerndes Inferno brach über das Schiff herein. In der Luft hing ein Klagen wie die Todesschreie aus Tausenden von Kehlen. Es verband sich mit dem heulenden Wind, dem Bersten des Holzes und dem Ächzen und Stöhnen der Wanten. Für die Dauer eines Herzschlags wurde es schwarz um das Schiff, dann war alles vorüber.
    Absolute Stille legte sich über das Meer. Langsam richtete sich die
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