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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten
Autoren: Arkady Fiedler
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leidenschaftlicher Jäger gewesen war, behandelten mich die Matrosen ein wenig freundlicher und stießen mich nicht mehr soviel herum. Der Bootsmann übertrug mir den Dienst an Williams Geschütz und befahl, mich zu einem tüchtigen Kanonier auszubilden. An Bord gab es viele solcher Geschütze.
    „Das ist eine Art schwimmender Festung, nicht wahr?” fragte ich meinen Freund verwundert.
    „Was, zum Teufel, hast du dir gedacht? Daß wir zu einem Ball fahren?"
    Im unteren Teil des Schiffes befanden sich geräumige Luken, die an Gefängniszellen erinnerten, um so mehr, als darin viele Ketten herumlagen.
    „Wozu sind die vielen Ketten?" fragte ich einmal William.
    „Um die Menschen zu fesseln, die wir fangen werden", erwiderte er ohne Umschweife.
    „Menschen werden wir fangen? Du machst wohl Spaß?'
    „Fällt mir nicht im Traum ein."
    „ Was sind das für Menschen?"
    „Verschiedene: Neger, Indianer, Mestizen, Dänen, Franzosen, Holländer, Portugiesen, Spanier — alle, die uns in die Hände fallen, nur keine Engländer."
    „Und was machen wir mit diesen Gefangenen?"
    „Was wir mit ihnen machen? Die Neger und sonstigen Farbigen verkaufen wir als Sklaven an unsere Plantagen, und von den Europäern lassen wir uns dickes Lösegeld zahlen." „Das ist doch Räuberei!"
    „Wirklich? Was du nicht sagst!"
    Als ich den Zweck unserer Fahrt erfahren hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich befand mich nicht auf einem gewöhnlichen Kaperschiff, sondern auf einem Piratenschiff.
    Nachdem, wir aufs offene Meer hinausgefahren waren, nahmen wir südlichen Kurs auf die Kleinen Antillen und die Nordküste Südamerikas. Wir beabsichtigten, zwischen den Inseln zu kreuzen, kleinere Siedlungen zu überfallen und zu rauben, was uns gerade in die Hände käme. Wir wollten den Schiffen, die an unseren Schlupfwinkeln vorbeifuhren, auflauern und hofften, reiche Beute zu machen. Vor allem hatten wir es auf die Sklaventransporte aus Afrika abgesehen.
    So sah das ehrbare Schiff aus, auf das mich das Schicksal verschlagen hatte. Einmal an Bord dieser Kiste, konnte ich nicht mehr zurück. Die Tür war hinter mir zugeschlagen. Es galt, wie das Sprichwort sagt, mit den Wölfen zu heulen.
    Als ich William zur Rede stellte, weil er mich nicht rechtzeitig gewarnt hatte, sah er mich aus seinen blauen Augen höchst verwundert an.
    „Aber Johnny, zum Henker, was willst du von mir?" fragte er vorwurfsvoll. „Habe ich es dir nicht gleich gesagt, daß dies ein Kaperschiff ist und daß wir Krieg führen und rauben werden? Oder habe ich es dir verheimlicht?"
    „Nein, aber . . ."
    „Das ist jedoch nicht das wichtigste . Hast du denn nicht in den westlichen Wäldern gelebt und bist dort in schwere Händel verwickelt worden? Hast du dich nicht gegen die Kolonialregierung erhoben? Bist du denn nicht auch ein Raufbold gewesen? Du warst es, Johnny, du warst es! Deswegen wollten sie dich ja hängen, deswegen haben sie dich verfolgt! Du warst mutig und verwegen, Junge. Stimmt's?"
    „Ja, aber..."
    „Und wenn du dort, in deinen Wäldern, mutig und verwegen gewesen bist, dann wird es dir auch auf See an Mut nicht fehlen. Das Herz wird dir hier nicht verkümmern."
    Ich wollte ihm nachdrücklich darlegen, daß es ein Unterschied ist, ob man für eine gerechte Sache in den Wäldern Virginias kämpft oder die Waffen für Raub und Piraterie auf See gebraucht; doch unterließ ich es, als ich seinem trüben, beinah gutmütigen Blick begegnete. Es wäre nicht leicht gewesen, ihn vom Unterschied der moralischen Beweggründe zu überzeugen. Mein Freund hatte selbst kein reines Gewissen, denn er bemühte sich, das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen. Er schenkte mir ein Glas Rum ein und fragte, weshalb man mich in den Wäldern Jan und nicht John genannt habe, was doch natürlicher klänge.
    „Weil meine Mutter eine Polin war und auch mein Vater, obwohl Engländer, aus Polen stammte", erwiderte ich. „Polen das ist dort unweit der Türkei und Wiens!" brüstete sich William mit seinen geographischen Kenntnissen. „Unweit und doch weit", wehrte ich lachend ab.
    Er bat mich, ihm etwas über meine Familie zu erzählen. So berichtete ich, was mir darüber bekannt war.
    „Die drei englischen Schiffe, die im Jahre 1607 als erste die virginische Bucht Chesapeake anliefen, hatten, wie aus den Chroniken ersichtlich ist, nicht nur Müßiggänger, Abenteurer und Schmarotzer nach Amerika gebracht. Unter den Passagieren befanden sich auch einige polnische
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